Weltklasse-Spektakel in Jöllenbeck

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Bericht über das 38. „Weltklasse“ – Hallenturnier in Jöllenbeck am 13./14.01.2018

Tortenberge, Mettbrötchen mit extra viel Zwiebeln, weiße bzw. hellblaue Papierbändchen am Handgelenk, ein Meer an roten Organisationsjacken, Schiedsrichter mit Wischmob, ein Kegel-Pokal, ein Hotel namens „Weitblick“, eine Pizza von „da Leo“ sowie Liveticker und Videos über die Grenzen von Jöllenbeck hinweg– das ist Jöllenbeck!

Fanblock mit JC

Ja, sie hat sich wieder gelohnt, die Reise zur Sporthalle der Realschule in Jöllenbeck. Zum 38. Mal, welch langer FF-Atem – Respekt (!), lud das engagierte „Weltklasse“-Frauenturnier-Organisationsteam zum Hallenturnier ein. Mit dabei treue Stammgäste wie der AC Sparta Prag oder auch Turbine Potsdam, der Anlass unserer Reise. Ca. 50 Fans hatten sich privat per Autos oder Deutscher Bahn auf den Weg gemacht, um das 20-jährige „Bühnen-Jubiläum“ von Turbine Potsdam zu feiern. So lange und treu ist der Verein mittlerweile dabei.

Und die „Weltklasse“ sollte mal wieder zur Herzenssache werden

Diesmal war es ein freundliches „Nachbarschaftstreffen“:
• vier deutsche Mannschaften (SGS Essen, 1. FC Köln, Werder Bremen und Turbine Potsdam)
• drei dänische Mannschaften (VSK Aarhus, Fortuna Hjørring und KoldingQ)
• und der tschechische Vertreter AC Sparta Prag.

Werder Bremen

Insgesamt wurden pro Mannschaft sechs Gruppenspiele in zwei Gruppen ausgetragen, die am 1. Turniertag und am Vormittag des 2. Turniertages durchgeführt wurden. Hierbei zeigte das junge Team von Werder Bremen einen grandiosen Auftritt und ging als souveräner Gruppensieger der Gruppe 1 hervor. Selbst am Abend des ersten Turniertages unterstrich dieser norddeutsche Verein seine Spitzenmäßigkeit, indem er auch noch den Pokal beim traditionellen Kegeln aller Mannschaften an sich riss.

Aufstellung vor dem 1. Spiel

Auch unsere „Torbienen“ mit Lisa Schmitz, Inga Schuldt, Anna Gasper, Jennifer Cramer, Marina Georgieva, Elise Kellond-Knight, Gina Chmielinski, Felicitas Rauch, Laura Lindner und Lara Prašnikar zeigten eine fanbegeisternde Vorstellung und holten mit fünf Siegen und einem Unentschieden (gegen Aarhus) den Gruppensieg. Begleitet wurde das Team von Torwarttrainer Dirk Heinrichs und Physio Jessi Viehweger, die sich nicht nur um das gesundheitliche und mentale Wohl der Potsdamer Spielerinnen kümmerte, sondern beherzt auch eine verletzte Kölner Spielerin umsorgte, und als Taxifahrerin des Mannschafts(klein)busses die Torbienen hin- und zurücklenkte.

Erfreulich und den herzlichen Charakter des Turniers unterstreichend war, dass KoldingQ und der 1. FC Köln die Chance „erhielten“, das jeweils letzte Gruppenspiel zu gewinnen, sodass keine Mannschaft punktlos aus der Gruppenphase hervorging. KoldingQ schaffte es als „Spätzünder“ am Ende auch noch auf Platz 6.

Im Halbfinale traf Potsdam dann, wie im Jahr zuvor, auf die SGS Essen. Man kann eine überzeugende Gruppenphase spielen, aber wenn dann in den entscheidenden Spielen der Einbruch kommt, nützt das gar nichts. Somit stand die Revanche für die Niederlage gegen Essen aus dem Vorjahr an. Und jetzt passierte etwas Unglaubliches: Turbine fegte wie ein Sturm über den Hallenboden, spielte im Rauschzustand, die Essener Fangarde verstummte nach der 2.0-Führung, die Turbinefans brüllten sich die Stimme aus dem Leib – und am Ende wurde Essen eiskalt mit einem klaren 4:0 abserviert. Unfassbar krass, adrenalinerzeugend, hochgradig begeisternd!
Unseren Toschützinnen waren: Marina Georgieva (2x), Feli Rauch und Lara Prašnikar – Danke

Eine Stunde später – also nach zwei gekühlten Bieren, einem Mettbrötchen alias „Hackepeterbrötchen“ und einem Sahnetortenstück – folgte dann das Finale gegen unsere Vereinsfreundinnen vom AC Sparta Prag, die die Turbinefans nicht nur aus Jöllenbeck kennen, sondern auch vom heimischen Turbine-Hallencup – und überhaupt schon seit ganz langer Zeit aus der Schröder-Ära.

Zum 7. Mal der 38-jährigen Turniergeschichte stand nun Turbine Potsdam im Finale, viermal am Ende erfolgreich mit einem Pokal bestückt.
Das Kurzzeitgedächtnis aus der Gruppenphase, in der beide Finalisten bereits zweimal gegeneinander gespielt und jeweils Potsdam mit 5:4 und 3:2 knapp als Sieger hervorgegangen war, funktionierte auch noch. Also erwarteten alle Zuschauenden ein spannendes Spiel.

Was dann ganz schnell unspannend wurde…
Das konnten die Turbinefans gar nicht so schnell verdauen, wie es 0:3 gegen sie stand. Es wurde ruhiger in der Halle, denn die Potsdamer Fans erzeugten nun weniger von dem wohlbekannten Lärm. Zum Glück waren die Essener Fans für Prag, sodass es nicht „finsterruhig“ in der Halle wurde.
Immerhin schnellte die Freude empor, als Feli Rauch zum 1:3 einnetzte. Lange konnten die Turbinefans aber diesen Treffer nicht bejubeln, denn die postwendende Antwort folgte gnadenlos – 1:4. War das ärgerlich! Ein bisher begeisternder Turnierverlauf sollte aus Potsdamer Sicht nun in einem Desaster münden. Unglaublich traurig, frustrierend, verstummend…. Na ja, dann schoss Anna Gasper aufs Tor – und es wurde tatsächlich ein Tor – 2:4. Und dann? Die Minuten verrannen, nichts geschah. Hier eine Chance, da eine Chance, großes Raunen – und auch hörbares Aufatmen, wenn tschechische Torschüsse ebenso missglückten.
Noch drei Minuten Spielzeit! Nichts. Dann aber, ungefähr bei 2:30min verbleibender Spielzeit, klinkte sich „KK“ ein und erzielte den Anschlusstreffer – 3:4!
Spielunterbrechung. Anna Gasper hatte sich bei einem Zusammenprall mit der tschechischen Torhüterin verletzt und verließ stark humpelnd, teilweise hüpfend, das Spielfeld. Wie schade, wie groß das Mitgefühl! Hatte sie doch ein grandioses Turnier gespielt. Eine bittere Pille! Hoffentlich ist die Verletzung nicht so schlimm, wie der erste Eindruck denken ließ.

Schöne Geste, Lisa!

Noch eine Spielminute! Selbst die Potsdamer Torhüterin Lisa Schmitz gesellte sich jetzt zu den Feldspielerinnen, alles wurde nach vorn geschmissen. Freistoß in der 20. Sekunde vor Schlusspfiff: Lisa Schmitz bekommt den Ball zugespielt – und…? … versenkt ihn brachial im gegnerischen Tor! Die Halle bebte! Herzrhythmusstörungen aller Art. 10 -9 -8 … die letzten Sekunden wurden fanblockgewaltig heruntergezählt. Die Schlusssirene ertönte. Unentschieden! Neunmeterschießen.

Multifrau Jessi

Klar, wünscht sich jeder Turnierzuschauende mal ein Neunmeterschießen. Aber doch nicht im Finale! Und schon gar nicht, wenn die eigene Mannschaft davon betroffen ist.

Also Augen zu und durch.
Vorweggenommen: Es bedurfte 14 Torschüsse, bevor der Sieger feststehen sollte.

1. Feli Rauch – Bande. Raunen. Fehlstart. Vorteil als Beginnende vertan.
2. Elise Kelond-Knight „KK“ – drin.
3. Marina Georgieva – Pfosten? Prag jubelt. Nein – Stahlknaller! Der Innenpfosten wurde getroffen, bevor der Ball zurückprallte – Tor! Prag beendet den Freudentanz. Weiter geht’s.

4. Jennifer Cramer – gehalten. Stöhnen. Haare raufen.
5. Laura Lindner – gehalten. Raunen. Trauer. Kopfschütteln.
6. Lara Prasnikar – drin. Yeah!
7. Gina Chmielinski – drin. Erdbeben!!

Ein Krimi ohne Ende! Dazu eine souveräne Lisa Schmitz, die den einen oder anderen gegnerischen Schuss hielt. Dieses einmalige, fiebrig-brodelnde Finalerlebnis, das hat der engagierte Veranstalter des „Weltklasse“-Frauenturniers einfach nur verdient. Bitteschön – und Danke!

Manch ein Potsdamer Fan fühlte sich bei dieser Spannung und diesen Emotionen an das Elfmeterschießen von Getafe, als in Madrid 2010 unglaublicher Weise doch noch der CL-Sieg gelang, erinnert.

Nach 2010 durfte nun Turbine Potsdam wieder den Pokal entgegennehmen. 2010 war auch der CL-Sieg. Jetzt kommt Logik ins Spiel, was den kommende Rückrunde der Bundesliga betrifft;-)

Auf Händen getragen

Lisa Schmitz wurde von ihren Mitspielerinnen spontan auf Händen getragen – und bei der Siegerehrung auch noch als beste Torwartfrau geehrt. Am Rande bemerkt: Das Voting hierfür erfolgte weit vor dem Finalspiel. Eine lustige Beobachtung war auch, dass die Potsdamer Fans die Ansage des Hallensprechers spontan beendeten: Hallensprecher: „Beste Torwartfrau des Turniers mit der Nr. 1 wurde…“ Die Turbinefans ins Wort fallend: „…Lisaaa Schmitz!“

Als „Beste Spielerin“ und gleichzeitig auch „Torschützenkönigin“ wurde Lea Schüller von der SGS Essen geehrt. Auch dazu herzliche Mitfreude und Gratulation!

Die einhellige Meinung war, dass Turbine Potsdam den Turniersieg verdient gewonnen hätte und nach acht Jahren auch mal wieder dran gewesen wäre. Einleuchtend, wenn man die überzeugende Gruppenphase mit zwei Siegen gegen den Finalisten im direkten Vergleich und das vom Hallenboden hinwegfegende Halbfinalspiel gegen Essen betrachtet.

Aber auch Sparta Prag hätten die Fans den Sieg gegönnt, denn sie durften als treuer Stammkunde des Turniers noch nie diesen Genuss erfahren. Vielleicht klappt das in zwei Wochen beim Internationalen Turbine-Hallencup am 28./29. Januar? Turbine Potsdam muss doch nicht seinen eigenen Pokal verteidigen – oder?

Verletzte Anna Gasper

Alles Gute für Anna Gasper! Hätte doch manch ein Turbinefan auf den Turniersieg verzichtet, um die Verletzung rückgängig zu machen.
Dank an das Organisationsteam incl. der „Flaschenöffner“, Tortenbäcker, Brötchenschmierer, Hallenein- und ausräumer, Livetickerer usw.!
Dank an unser alljährliches Lieblingsrestaurant „Pizzeria Da Leo“, deren Inhaber uns knutschend und umarmend begrüßten, einen „Turbine-Saal“ reservierten und uns kulinarisch lecker umsorgten.

Dank an unser Lieblingshotel „Weitblick“, deren Calauer Inhaberin nicht nur für „Weltklasse“-Zimmer und schmackhaftes Frühstück mit handgemixtem Rührei sorgte, sondern auch ganz nett das Gästebuch mit aktuellen Zeitungsartikeln vom Turnier beklebte.

Wir kommen wieder – in zweitausendneunzehn!

Und wir laden alle FF-Fans ein, auch mal zum „Internationalen Turbine-Hallencup“ Ende Januar nach Potsdam in die MBS-Arena zu kommen. Eine andere, aber auch ganz besondere Aura und Stimmung, die man wenigstens einmal in seinem Frauenfußballleben erfahren haben muss!
Links:
Liveticker, Fotogalerie und Videos von fupa.net: https://www.fupa.net/berichte/sgs-essen-weltklasse-2018-ueberall-glueckliche-gesichter-1071783.html
Homepage des Veranstalters: http://www.frauenturnier.com/

Text: Susanne Lepke
Fotos: Felix Adamczik, Susanne Lepke, Katrin Jarmer

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