Warme Herzen und weiche Knie

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Spielbericht zum letzten Heimspiel der Allianz-Frauenbundesliga: 1. FFC Turbine Potsdam gegen den MSV Duisburg am 5. Mai 2019

Gekommen. Gekämpft. Gewonnen. Geweint.

Die Choreo des Fanclubs fasste nicht nur die Saison zusammen, sondern passte hervorragend zu diesem letzten Heimspiel der Saison 2018/19. Über 1.800 Zuschauende waren gekommen, um die Torbienen (und später auch die fußballspielenden Fans) kämpfen zu sehen. Turbine hat gewonnen (und Rot auch:) und die verabschiedeten Spielerinnen wurden gegenseitig beweint.

Choreo des Fanclubs (Foto:sas)

Puh – war das ein ereignisreicher und emotional tiefgehender Tag! Gänsehautfeeling pur!

Aber erstmal ruhig eingeatmet und dann step by step:

Die Vorbereitungen auf den letzten Heimspieltag

Aus der Sicht des Fanclubs galt es sehr viel vorzubereiten:

  1. Ein gemeinsamer Ausflug am letzten Heimspieltag, diesmal eine Dampferfahrt, musste organisiert werden.Danke, Bea, Danke!
  2. Danke auch an die 29 mitschippernden Fans!
  3. Die Choreo für den Fanblock D musste kreiert werden: „Gekommen. Gekämpft. Gewonnen. Geweint. Danke für euren Herzenseinsatz!“, so lautete das Motto.  Und blau-weißes Konfetti musste besorgt und später wieder mühsam zusammengefegt werden. Danke, Mini und Caro, Danke!
  4. Blau-weiße Rosensträuße mussten besorgt werden. Danke, Daggi, Danke!
  5. Gerahmte Foto-Collagen mussten in diversen Größen nächtelang aufopfernd gebastelt und geklebt werden. Danke, Marina, Danke!
  6. Nebenbei sollten auch all die Geburtstagskinder der Mannschaft bedacht werden. Danke, Marina, Danke!
  7. Es sollte Berliner Kinder in der Halbzeitpause Hip Hop tanzen. Danke, Daggi, Danke!
  8. Das Tippspiel musste vor Spielbeginn organisiert werden. Danke, Peter und Renate, Danke!
  9. Die Tombola-Lose mussten beim Stadioneinlass an all die potenziell Glückseligen verteilt werden. Danke, Manu, Frank und Mandy, Danke!
  10. Die teilnehmenden Fußballschütz_innen für das Spiel in der Halbzeitpause mussten benannt werden. Danke, Bea, Danke!
  11. Ein Interview mit einem französischen Journalisten von der Zeitung „Le Monde“, der sich in Vorbereitung auf die WM als deutschen Vertreter extra Turbine Potsdam ausgewählt hatte, musste durchgeführt werden. Danke, Susi, Danke!
  12. Für das Fan-Spiel: Blau gegen Rot musste im Vorfeld zweimal hart trainiert und sich später warm gemacht werden, um sportlich fit auflaufen zu können. Danke, Bernd, Danke! Danke, Jessi und Tory, Danke! Danke, Peter und Uwe, Danke! Danke, ihr 12 Blaue und 12 Rote, Danke!
  13. Und all diese Aktionen mussten zu einprägsamen Bildern werden. Danke, Saskia, Danke!
Die Foto-Collagen-Schöpferin Marina (Foto: sule)

Da kam man kaum zum Atmen, es war eher ein „Aaa—tem—los–durch-den-Tag!“ Deshalb wird es diesmal zwei Berichte geben:

  • einem herkömmlichen zum AFBL-Spiel an sich, mit all dem Abschiedsschmerz
  • und einen zum Spiel nach dem Spiel, bei dem sich 24  Turbinefans auf dem Kunstrasen nebenan gesellten und die Turbine-Spielerinnen das anfeuernde Trommeln übernahmen – also ein Rollentausch:-)

Stimmungsschwankungen

Immer mit dem Herzen dabei – die Turbinefans (Foto:sas)

Die Stimmung vieler Turbinefans lag an den Tagen zuvor mit jeder weiteren öffentlichen Bekanntgabe von Abgängen im Keller. Turbine-Untergangsstimmung machte sich breit. Insgesamt sieben Spielerinnen galt es an diesem 5. Mai zu verabschieden. Das erzeugte Frust, Trauer – und auch Besserwisserei, vor allen Dingen in den sozialen Medien. Trostgefühle hätten ein Blick nach Bayern erzeugt, denn dieser „Geldverein“ muss 9 Abgänge verkraften. Das Geld nicht alles ist, konnten alle Menschen, die am 5. Mai im Karli dabei waren, ganz tief spüren. Man kann einen Slogan in einer Werbeagentur profimäßig konstruieren, z.B. „Turbinefamilie“, man kann aber auch nichts sagen und es einfach leben!

Per Dampfer unterwegs im Tränenmeer

Dampferfahrt (Foto: ins)

Der Start in den letzten Heimspieltag erfolgte mit einem Fanclub-Ritual: einem gemeinsamen Ausflug der Fanclub-Mitglieder, diesmal eine Dampferfahrt. Erstaunlich schönes, wenn auch frisches Sonnenwetter begleitete die Wasserfahrt vorbei an den traumhaften Schlössern der Landeshauptstadt. Die Havel stellte jedoch eher ein Tränenmeer dar, das die Fans durch die Trauer um den Abschied von Svenja Huth, Feli Rauch, Lisa Schmitz, Amanda Illestedt, Inga Schuldt, Wibke Meister und Melissa Kössler begleitete. Wie sollte es weitergehen mit Turbine?! Drei deutsche Nationalspielerinnen sollten in Zukunft ihrer Wege gehen, und bisher nur zwei bekanntgegebene Neuzugänge sollten die klaffenden Lücken füllen. Nicht von Aderlass, sondern vom Ausbluten des Turbine-Vereins war die Rede! Aber das moderne Schiff „Schwielowsee“ der Weißen Flotte ging nicht unter, dank moderner Energiezuführung.

Manche Fanclub-Mitglieder verzichteten auf die Dampferfahrt, um pünktlich bei Stadionöffnung ihren Mann oder ihre Frau zu stehen, damit die Tombola-Lose und Gewinnspiel-Karten allen Zuschauenden ausgeteilt werden konnten. Der Turbine-Nachwuchs hatte einen leckeren Kuchenbasar aufgebaut. Das Fanfest auf dem Platz hinter dem „Karli“ startete und sämtliche Hüpfburgen wackelten bereits. Und die Sonne schien immer noch, trotz entgegengesetzter Wetterprognosen.

Abschiedsszenario

Und dann wurde das Verabschiedungsszenario eingeläutet. Der Vorstand von Turbine-Potsdam akquirierte in Ermangelung anwesender Vorstandsmitglieder spontan einige Turbinefans, die die Überreichung der Abschiedsgeschenke des Vereins unterstützen sollten. Gerne doch! Auch der Fanclub reihte sich, reich bepackt mit XXL-Foto-Collagen und blau-weißen Rosensträußen, in das Umarmungs- und Tränen-Wegwisch-Szenario ein. Am Ende entstand ein hübsches Gedenkfoto, und die warmherzigen Worte des Vereinspräsidenten Rolf Kutzmutz garnierten das Gesehene.

Verabschiedung durch Vorstand und Fanclub (Foto:sas)

Mit Volldampf in die 1. Halbzeit

Dann ertönte der Anpfiff, der fast im Emotionenwald unterging. Duisburg war zu Gast und hatte den Kampf gegen den Abstieg vor Augen. Potsdam wollte weiterhin den 3. Platz verteidigen. Das bedeuteten also analoge Ausgangsbedingungen wie eine Woche zuvor gegen Leverkusen…

Auch einige echte Duisburger Fans waren aus der Ruhrpott-Ferne angereist – Respekt! Deren Trommelschläge und Anfeuerungsrufe waren auch ab und zu gut zu hören.

Engagiert hoch zehn (Foto:sas)

Die Torbienen schienen jedoch heute neben dem sportlichen Ziel noch etwas Anderes zu motivieren: ein positives Abschlusserlebnis für die abgehenden eigenen Spielerinnen zu schaffen und den Fans mit einer guten Abschiedsvorstellung Danke zu sagen. Und diese Art von Motivation verlieh Flügel! Die Torbienen schalteten ihren Turbinenantrieb sofort auf Hochtouren und spielten fast nur in einer Hälfte. Die Torchancen reihten sich wie Perlen auf einer Kette aneinander – nur wurden sie nicht genutzt.

Mit voller Kraft voraus (Foto:sas)

Aber darüber sahen die Fans heute schwelgend hinweg, denn die Turbinewelle schwappte und schwappte gegen das Duisburger Tor. Und dann, ja dann ergoss sich eine dieser Wellen direkt hinein in das Netzgehäuse, ausgelöst von unserem Dampflökchen Svenja Huth, der es tatsächlich in der 26. Minute gelang, ein Abschiedstor im heimischen Stadion zu kreieren!

Das passt gleich (Foto: sas)

Und schon tuckerte die Dampflok durchs „Karli“, das vertraute „Sch-sch-sch – Huth! Huth!“ ertönte im Fanblock. Svenja versprach im Nachhinein, diesen Torjubel-Lobgesang in ihrem Herzen mitzunehmen und als den echten zu bewahren, falls die Wolfsburger Fans diesen kopieren sollten. Ein entspannt erscheinendes Spiel entspann sich weiterhin. Wie schön, wenn man während einer solchen Abschiedspartie Zeit zum Feiern hat – und nicht zittern muss!

Gefeiert wurde auch in der Halbzeitpause – mit dem Ballschieß-Wettbewerb in Richtung Anstoßpunkt und mit einem Tanzauftritt von Berliner Hip Hop- Kindern.

Eine zweite Halbzeit mit viel Herz und Hoffnung

Auch die zweite Halbzeit hatte aus Potsdamer Sicht ihren Reiz. Die Torbienen spielten weiterhin munter auf. Eine variable Spielweise beim Spielaufbau und im Angriff konnte beobachtet werden, mal durch die Mitte, mal über die Flügel. Die Torbienen hatten die Zebras gut angeleint. Alles lief wie am Schnürchen – ein Fußballfest. Und dann hüpfte Jojo Elsig nach einem kurz mal hoch und netzte per Kopf ein: 2:0! Zu Recht!

Tor durch Jojo Elsig (Foto: sas)

Und weil Jojo Elsig, die nach Huths Auswechslung die Kapitänsbinde übernahm, zeigen wollte, wo in Zukunft der Hammer hängt, hüpfte sich 18 Minuten später gleich nochmal hoch und erzeugte damit viele Freudenhüpfer bei den Fans und natürlich ihrer Mannschaft. 3:0 – so auch der Endstand! Jojos Doppelschlag wurde am Ende mit der Ehrung zur „Besten Spielerin“ gekürt und Feli Rauch (wie Qualm) nutzte diesen Vorgang schamlos aus, indem sie den Siegersekt in alle Richtungen versprühte.

Aber kurz nochmal zurückgespult in die letzten 10 Minuten des Spiels. Diese gehörten nämlich wieder dem Herz des großartigen Frauenfußballsports in Potsdam. Nacheinander wurden in Drei-Minuten-Takt die Spielerinnen Feli Rauch, Amanda Illestedt und Svenja Huth ausgewechselt, sodass jede in den Genuss kam, ihren stehenden Sonderapplaus abzuholen. Dankes-Gesänge erschallten von den Fanrängen – emotional tiefgehende Minuten. (Und der stumme innere Trost der Turbinefans, die sich am nächsten Sonntag zum letzten AFBL-Spiel in die Höhle des Wolfes aufmachen werden, dass man diese verabschiedeten Spielerinnen alle noch einmal wiedersieht.)

Nach diesen drei Auswechslungen (die geforderte vierte Ausnahme-Auswechslung von Lisa Schmitz überhörte die Schiedsrichterin unbeeindruckt) stand nun die Mannschaft der Zukunft auf dem Platz. Ganz besonders erfreulich war dabei der Fakt, dass die langzeitverletzte Nina Ehegötz eingewechselt wurde, sodass „Abschied und Willkommen“ in diesem Moment ganz eng beieinander wohnten. Ja – und diese Mannschaft der Zukunft spielte richtig gut! Der Anblick erzeugte ein wohlwollendes Bauchgefühl, einen ganz fetten Hoffnungsschimmer!

Nina wird nach langer Verletzungspause eingewechselt (Foto:sas)

Schlusspfiff

Potsdam verteidigte den 3. Platz und Duisburg feierte trotz der Niederlage den Klassenerhalt. Aber das alles nur am Rande…

Klassenerhaltstänzchen (Foto: sas)

Lisa Schmitz meinte in einem Interview, dass sie ganz besonders die Fans, die tatsächlich einmalig wären mit all ihren Aktionen und Geschenken, nirgendwo wiederfinden würde. Wer bekommt auch schon eine Laugenbrezel zum Abschied geschenkt, nicht wahr, Lisa? Aber das ist ein ebay-Insider. Danke, Lisa, Danke!

Die Geschenkebeauftrage Marina hat das Wort (Foto:sas)

Aber nach dem Spiel ist vor dem Spiel! Eine dritte Halbzeit sollte gleich auf dem Fußballplatz hinter dem „Karli“ starten: Fanmannschaft Blau gegen Fanmannschaft Rot – im Rahmen des Fanfestes – und angefeuert von trommelnden Turbine-Spielerinnen – ein Rollentausch herzhafter Art. Dazu lest den extra Bericht (folgt demnächst)!

Text: Susanne Lepke

Fotos: Saskia Nafe (sas), , Ingrid Schröder (ins), Daniel (dan),
Susanne Lepke (sule)

07.Mai 2019

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