Blutleer

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Spielbericht der Bundesliga-Partie FC Bayern München gegen 1. FFC Turbine Potsdam am 17.03.2019B

Der Spielbericht soll mit den gleichen Worten wie im vorangegangenen Spielbericht zum DFB-Pokal-Viertelfinalspiel gegen den VfL Wolfsburg vom 13. März beginnen:

Sch… Wetter, Sch… Spiel, aber die Busfahrt war gut.

Rasensprenger-Session

Wobei das erste „sch“ diesmal für „schön“ stehen soll, denn das Wetter war galant. Die strahlend warme Frühlingssonne sollte am Ende den eigentlichen Sinn für den zeitintensiven Sonntagsausflug nach München darstellen: 16 Stunden Busfahrt in den sonnigen Süden, während es am Heimatort regnete. Auch gibt es immer mindestens zwei Gründe, sich auf den meist langen Weg zu einem Auswärtsspiel zu machen: Die Fanbusfahrt an sich und die Vorfreude auf ein schönes Spiel der Lieblingsmannschaft.

Auf dem Weg zur zweiten Halbzeit

Nach der nur halb oder gar nicht verdauten „Klatsche“ gegen Wolfsburg sollte nun aber brutal die nächste „Klatsche“, serviert vom FC Bayern, folgen.

Das Hinspiel im Karli war damals 1:1 ausgegangen. Nun galt es – mit dem gleichen Kader – das Rückspiel anzutreten. Der Fanbus war ausgebucht – trotz des desaströsen Untergangs der Turbinen in der Autostadt. Entweder sind die Turbinefans masochistisch veranlagt oder verdammt treu. Aber irgendwann reißt auch der letzte Geduldsfaden…

Es lohnt sich nach München zu fahren, denn das Stadion im Bayern Campus ist ein sehenswertes Goldstück in der frauenfußballerischen Stadion-Architektur. Modern, sauber, saftig grüner und aalglatter Rasen und ein Aufgebot an Rasensprengern, das selbst die Fontainen von Sanssouci erblassen lässt. Auch die Akustik stimmte, denn der Hall der Anfeuerungsrufe versprach Hörsturz-Gefahr.

Die Fußballneugierigen wurden von einer Samba-Trommelcombo am Eingang zum Campus und einem Kuschel- und Ballontier-Verkaufsstand begrüßt. Partystimmung – und die Menschen strömten. Woher diese auf einmal herkamen, bleibt unbeantwortet. Es waren mehr als die sonst gewohnten 500 Zuschauer_innen,  ein gefühlter Zuschauerrekord. Wer erinnert sich noch an die alten Aschheim-Zeiten… Da hat sich tatsächlich optisch Sehenswertes in München getan. Nur die Namen der eigenen Spielerinnen müssen die Besucher_innen noch auswendig lernen. Da hallte nichts zurück, als der Stadionsprecher die Mannschaftsaufstellung bekanntgab. Er konnte das eilige, gastunfreundliche Sprechtempo auch bei der Heimmannschaft ungehindert beibehalten. Der feine Unterschied war nur, dass die Turbinefans mal wieder das Sprintduell mit dem Stadionsprecher annahmen. Bei einsilbigen Namen wie „Schmidt“, „Huth“ und „Rauch“ konnten sie auch tatsächlich mithalten.

Die Penibilität der Einlasskontrollen stand ganz im „Mia san mia“- Flair.  Erst nach hitzigen Diskussionen durften alle Trommeln ins Stadion einwandern – und das bisher wiederholt abgewiesene knallgelbe Maskottchen flatterte diesmal über alle Ordner hinweg und durfte tatsächlich live das Drama mitverfolgen.

Turbinefans

Das Erreichen des Kiosks war dagegen mit sportlichem Einsatz verbunden, da der Leberkäse vom anderen Ende des Stadions mild entgegenlächelte. Und am hochgelobten Weizenbier konnte man sich gar nicht laben, denn es galt Alkoholverbot. Dafür wurden alkoholfreie Getränke in Plastikflaschen verkauft… Na gut, andere Bundesländer, andere Sitten.

Nun zum Qualitätstest für die leidgeprüften Gästefans: Nach dem Wolfsburg-Spiel erwartete man alles, nur keine Wiederholung des fünf Tage zuvor Erlebten. Insbesondere ging man von einem kämpferischen Einsatz, spürbarer Willensstärke und einer Freude am Spiel aus, denn ohne solche Erwartungen setzt man sich nicht 16 Stunden lang den Hintern in einem Bus platt.

Und die Turbinen bedienten in der ersten Halbzeit tatsächlich einige dieser Erwartungen. Sie zeigten einen Spielwillen, einen kämpferischen Einsatz, auch etwas Spielfreude. Ab und an rollte der Ball sogar über die Mittellinie und nahm Kontakt mit der bayerischen Torwartfrau Zinsberger auf. Auch wenn es – analog zum Spiel gegen Wolfsburg – nach 20 Minuten mal wieder 2:0 gegen uns stand, konnte man als Turbine-Fan trotzdem hingucken. Der Beginn erschien nicht ganz so unkoordiniert, auch wenn es viele Ballverluste und Fehlpässe gab. Die Anfeuerungsrufe der Fans verebbten auch nicht nach dem 3:0, die Fans waren willens, Mut zu machen, denn gegenüber dem Duell gegen Wolfsburg hoppelten keine Kaninchen vor der Schlange ziellos hin und her, sondern man strengte sich an.

Torjubel 1-2-3-4-5

Die zweite Halbzeit war dann ideal zur verbitterten Frusterzeugung geeignet. Ein schnelles 4:0 und dann war die smart dampfende Turbine abgeschaltet. Da passierte nichts mehr, kein Aufbäumen, kein Charakter, nichts – einfach Nichts. Jedenfalls nichts, was man als Fußball auf Bundesliganiveau bezeichnen kann. Nebenbei fiel das 5:0 – und hätte es Vanessa Fischer nicht gegeben, wäre das Spiel vermutlich 10:0 ausgegangen. Da helfenA auch kein aufmunterndes Trösten und Krönchen- Geraderücken, da müssen jetzt klare Worte gesprochen werden!  Hier geht es um die Spielerehre, um den Respekt gegenüber den weitreisenden Fans – und fehlende Moral und Kampfgeist können nicht ausschließlich mit finanziellen Voraussetzungen begründet werden. Das Gesehene hat nichts mehr mit der Vereinsphilosophie zu tun. Da kann der „Sportbuzzer“-Spielbericht noch so weichspülen. Ein Teil des Vereinsvorstands von Turbine Potsdam war live vor Ort und könnte unabhängig von den Medienberichten urteilen. Peinlich auch der Gedanke, dass dieses Spiel live im Fernsehen und Internet übertragen wurde.

Mit allen Mitteln

Der Frust der Fans über die wiederholte Spielweise, nicht nur über den Spielausgang, ist mittlerweile riesengroß. Die Forderung nach einem charaktervollen Teamgeist, nach einer Rückkehr zu einer mental souveränen Spielweise ist unüberhörbar. Was ist mit der Lieblingsmannschaft bloß los?!

Trauriger Applaus vor wenigen Fans

In der Hinrunde gab es noch zwei Unentschieden gegen Bayern und Wolfsburg, und jetzt zwei schmerzvolle „Klatschen“ – erzeugt vom selben Kader. Eine selbst am Schluss noch kämpfende Chmielinski lässt etwas hoffen, auch das Turbine-Eigengewächs Vanessa Fischer – und auch die einsatzbereite Johanna Elsig. Aber diese drei gibt es nicht in vierfacher Ausfertigung.

Chancentöterin

Vielen Dank an den Verein, der den reisewütigen Turbine-Fans die Busfahrt spendierte.

Text: Susanne Lepke

Fotos: Saskia Nafe (sas) , Beatrice Martens (bea)

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