Torgewaltige Wölfinnen – Potsdam verliert 5:1

Lesedauer 9 Minuten
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Spielbericht zur FBL-Begegnung VfL Wolfsburg gegen 1. FFC Turbine Potsdam am 21.02.2020

Mit den Wölfen heulen… (Foto: sas)

Grün…

Flutlichtspiel am Freitagabend im grünen AOK Stadion in Wolfsburg, Eurosport machte es möglich. Das Stadion wird umrahmt von kalt wirkenden Beton- und Glasbauten. Die VfL-Hymne besingt die „grüne Stadt“ und meint damit wohl eher die Vereinsfarbe als die Natur. „Mit den Wölfen heulen, mit ihnen untergehen“ ist eine weitere Stelle aus dem Songtext. Die Wölfinnen haben (öfter auf dem Rasen liegend) gejault, untergegangen sind jedoch die geliebten Turbinen, die dem starken Kader kaum etwas entgegenzusetzen hatten.

Aber die Turbinefans sind reisefreudig, treu und wohlgesonnen. Es war bemerkenswert, wie lautstark und ausdauernd sie bis zum Abpfiff ihre Mannschaft mit unzähligen „Auf geht‘s, Potsdam, auf geht’s!“ ermutigten.

Die Fanbusreise nach Wolfsburg ist die kürzeste in der Liga. Die Reisezeit reichte aber aus, um leckeren Käse-Geburtstagskuchen zu vertilgen und mit Sekt auf das Geburtstagskind Dieter anzustoßen.

Die Stadionatmosphäre

Für 9€ war man dabei, ein buntes Faltblättchen als Stadionheft-Ersatz gab es gratis dazu. Das Sicherheitspersonal, ganz voran die Rosi, begegneten den Gästefans sehr freundlich, auch der eine oder andere Wob-Fan winkte nett zurück. Der grüne Fanblock sprang ein, als es einen vergessenen Trommelschlegel für einen Turbinefan auszuleihen galt. Der Stadionsprecher begrüßte die Potsdamer Fans und erwähnte auch die glorreichen, vorangegangenen Spielergebnisse von Turbine Potsdam: das 6:1 gegen den USV Jena und das 5:0 gegen den 1. FC Köln. Nur das Sprechtempo der Mannschaftsaufstellung war wiederholt rücksichtslos, sodass die Turbinefans beim Mitbrüllen der Spielernamen keine Chance hatten.

Man fühlte sich trotzdem etwas heimisch hier, denn am Stadionimbiss verkauften das Tresenpersonal, das aus Halberstadt stammte, echte „Bouletten“ (und keine „Frikadellen“), die man entweder mit Bautzner Senf oder Werder Ketchup beträufeln konnte. Aufbau Ost in Niedersachsen…

1825 Zuschauende unternahmen den Ausflug ins AOK-Stadion, das zeugte nicht nur für die Qualität des VfL Wolfsburg, sondern auch vom Respekt für Turbine Potsdam und die damit verbundenen Erwartungen an ein sehenswertes Spiel. Und das war es durchaus, auch wenn der Endstand von 5:1 gnadenlos für die Überflieger der Liga, den bisher ungeschlagenen VfL Wolfsburg, sprach.

Das Feuerwerk in der Halbzeit

Nach einer Schweigeminute gegen Rassismus und Diskriminierung, die eine Reaktion auf die Hanauer Ereignisse war, spielte Turbine Potsdam mit Trauerflor-Armbinde auf. Bei kaltem, windigem Wetter mit Nieselregen wurde die Partie angepfiffen und sofort rauschte eine VfL-Böe durchs Stadion. Bereits in der 1. Minute ertönte die VfL-Tormusik, nachdem Ewa Pajor den Ball rigoros im Potsdamer Gehäuse versenkt hatte. Das war ein Anfangsschock, der sämtliche taktische Pläne über den Haufen zu werfen drohte. Doch die Turbinen schüttelten sich kurz und nahmen den Kampf auf. Das beeindruckte die derzeitige Torschützenkönigin der Liga, Penille Harder, jedoch wenig. 10 Minuten später erzielte sie das 2:0 – die Potsdamer Abwehr schwamm im Nieselregen davon. Oh oh, wohin drohte diese Kurzreise zu enden?

Hallo Sveni, hallo Feli (Foto: sas)

Der Stadionsprecher hatte vor Spielbeginn alle Zuhörenden darauf hingewiesen, dass es heue Aufgabe sei, Potsdams Torjägerin Lara Prašnikar im Zaum zu halten. Und er behielt recht, denn nach einem Fehlpass von Goeßling fing Prašnikar den Ball ab, umkreiste die Startorhüterin Hedvig Lindahl und lieferte den Anschlusstreffer. 2:1 stand es nun, das klang wieder hoffnungsvoller. Doch die Hoffnung verschwand mit dem Kopfballtreffer von Popp in der 14. Minute – 3:1. Die Hoffnung ist bekanntlich grün, vielleicht deshalb dieser Fortgang? Auweia, welch Schützenfest bahnte sie hier an? Vier Tore innerhalb einer Viertelstunde, das ließ die Herzschlagfrequenz erhöhen und übertraf alle Erwartungen.

Doch dann kehrte erstmal Ruhe ins Spiel ein. Turbine führte in der der Anzahl der Eckbälle mit 4:0, wurde im weiteren Spielverlauf aber auch hier von den Wölfinnen überrannt. Turbine Potsdam versuchte in einem temporeichen Spiel den richtigen Gang zu finden und die Zweikämpfe anzunehmen. Jedoch wirkte die Spielweise zerfahren und war eher von Reaktion als Aktion geprägt. Das geradlinige und schnelle Passspiel der Wölfinnen, die oft über den linken Flügel Vanessa Fischer im Tor besuchen wollten, ließ die Turbinen im Nieselregen stehen. War Turbine mal im Angriff, dann lähmte ein langer Rückpass der Verteidigung den verzweifelten Versuch der Potsdamerinnen, in den grünen Strafraum vorzudringen. Zwar begannen die Wölfinnen nun mit einer Tugend, die ebenso charakteristisch wie die überlegene Spielweise des Starkaders ist: Sie ließen reihenweise Chancen liegen, die mit einer theatralischen Körpersprache von Popp&Co inszeniert wurden.

Tja, und dann passierte etwas, was ebenfalls nicht auf dem Potsdamer Tagesplan stand. Für ein leichtes Foul an der perfekt fallenden Penille Harder zeigte die Schiedsrichterin der Innenverteidigerin Johanna Elsig die gelbe Karte. Diese regte sich darüber auf und sah Millisekunden später dafür Rot. Krass! In der 43. Minute verließ sie das grüne Bällebad und ließ ihre Mannschaft im Nieselregen stehen. Währenddessen klatschte die wiederaufersttandene Penille Harder bei ihren Mannschaftskolleginnen ab. Bitter – und unverständlich. Zum Glück gab es erstmal die Halbzeitpause zum Durchatmen und Nachdenken. Wie konnte Potsdam nun in Unterzahl den Wölfinnen entgegenstehen, ohne vom Rudel zerrissen zu werden?

Vom Rudel nicht zerrissen worden

Schwalm versucht gegenzuhalten (Foto: sas)

Die Turbinefans feuerten ihr Team auch in der zweiten Halbzeit weiterhin an, was auch der Eurosport-Reporter mehrfach lobend erwähnte. Und die Turbinen verteidigten tatsächlich gut, auch ohne Elsig. Nach einem Doppelwechsel standen nun Schwalm und Mesjasz im Aufgebot, Chmielinski und Höbinger ruhten sich nun auf der Bank aus. Neunmal zielten die Wölfinnen aufs Tor und scheiterten neunmal an der hellwachen Vanessa Fischer, an der Torlatte oder an der guten Potsdamer Verteidigung. Ab und zu gelang es den Turbinen, über die Mittellinie hinauszukommen und Hedvig Lindahl zu testen. Ehegötz zeigte sich in der zweiten Halbzeit in besserer Form und erarbeitete sich zwei Torchancen. Auch Lara Prašnikar erkämpfte sich eine Torchance. Anna Gerhardt überzeugte mit einer begeisternden Schnelligkeit auf dem rechten Flügel. Caro Siems wirbelte und kämpfte, Sara Agrež verteidigte gut und trieb mit ihren Spieleröffnungen das Spiel nach vorn an. Die Wölfinnen waren jedoch abgebrühter, was das Erzeugen von Freistößen betraf. Obwohl der Rasen nass und kalt war, kuschelten sie häufig „mit ihrem Grün“ und erzeugten damit eine Dramatik, was die gepfiffenen Foulentscheidungen betraf.

Gosia Mesjasz mit Ewa Pajor im Rücken (Foto: sas)

Trotz der Unterzahl hielt Potsdam erstaunlich lange gegen, was durchaus lobenswert war. Die drohende Schmach, vom Rudel zerrissen zu werden, wurde durch die kämpferische Spielweise der Turbinen verhindert. Kein zweistelliges Spielergebnis bahnte sich an, sondern Wolfsburg tat sich schwer, aus der numerischen Überlegenheit zu punkten. In den letzten zehn Minuten ließen die Kräfte nach, das Spiel hatte Ressourcen gefordert. Die frisch eingewechselte Jakabfi schaffte es dann endlich, den Spielstand auf 4:1 zu erhöhen. Die spät eingewechselte Bianca Schmidt konnte das Blatt auch nicht mehr wenden. Und Ewa Pajor, die in der 1. Minute den VfL-Torreigen eröffnet hatte, beendete diesen in der 87. Minute. Endstand 5:1.

Das Fanbanner im Rücken (Foto: sas)

Ausblick

Die Turbinen bedankten sich trotz dieser schmerzhaften Niederlage bei ihren Fans. Und diese reagierten mit einem Mut machenden Applaus.

Kurz nach Mitternacht trafen die Turbinfans wieder in Potsdam ein – und freuen sich schon jetzt auf das nächste Flutlichtspiel am kommenden Freitag gegen die SGS Essen. Und das wird gut – und sehenswert. Also kommt vorbei und feuert um 19.15 Uhr die Turbinen an!

Text: Susanne Lepke

Fotos: Saskia Nafe (sas), Peter Tietze (peti), Susanne Lepke (sule)

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