Viel Arbeit, wenig Lohn – MSV Duisburg gegen Turbine Potsdam

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Spielbericht zum 2. Spieltag der Hinrunde der Allianz-Frauenbundesliga am 09.09.2017

Potsdam, morgens, 5.30 Uhr. Blaues – äh – „Barca“-Gewimmel am Potsdamer Hauptbahnhof. Abfahrt in den Ruhrpott nach Duisburg, siebeneinhalb Stunden hin – sieben Stunden zurück – eine Stunde Naturdusche vor Ort, doch dazu später mehr.

Graues Wetter, regennasse Autobahn, der Herbst hält Einzug und ein neues Fanbusmodell ebenso. Mit den altbekannten Busfahrern Peter und Detlef am Lenkrad sitzend. Dazu ein neues „Coffee to go“-Angebot, denn die Busneuerung macht es nun erforderlich, bei Kaffeedurst den Bus verlassen zu müssen, da sich die Kaffeemaschine in einer Art Gepäckluke an der Außenseite des Busses befindet. Und die traditionelle Rückreise-Bockwurst entpuppt sich nun als „no-go“, denn die nicht vorhandene Küchenausstattung machte dies leider unmöglich.

Aber dafür gab es auf der Reise Nacktschnecken-Witze und Aluminiumbrillengesichter gratis… Eine Nacktschnecke heißt Nacktschnecke, weil deren Hypothek zerplatzt ist (ha ha). Ersatz bot auch ein tschechisches Pralineninnereien-Gesöff, ein Pistazien-Likör, der den einen oder anderen Gaumen umschlabberte.

Die ehrwürdige Vertretung für den Steward Hartmut Feike namens „Urmel“ waltete verantwortungsbewusst seines Amtes. Er zählte viel und wischte wenig. Niemand blieb nach den Raststättenpausen auf der Strecke, und die Getränkevielfalt erstreckte sich nicht im Mittelgang des Busses.

Pünktlich vor Ort angekommen kam die Potsdamer Reisegruppe mit äußerst sozialen Preisen in Kontakt: Der Eintritt für einen Stehplatz kostete 5€, das Bier 2€ und eine Riesenportion Pommes ebenfalls 2€. Leider gab es nicht mehr den leckeren Backfischstand. Als Alternative konnte die Ruhrpöttsche Currywurst probiert werden, deren äußeres Erscheinungsbild eher einer Gulaschsuppe glich.
Die Sonne beschien den Fan-Stehtisch, die Ordner lächelten, das Geburtstagskind Lisa strahlte, die Stimmung war vor Spielbeginn bestens. Selbst diejenigen, die in den Duisburger Vereins-Lostopf griffen und eine Niete nach der anderen herauszogen, lächelten immer noch, denn man hatte mit seinem Pech unterm Strich Gutes für den gastgebenden Verein getan.

Eine Cheerleading-Girlgroup wiederholte noch mal schnell neben den Kabineneingang die grundlegenden choreographischen Schritte, bevor sie sich dann auf das große Feld wagte und puschelraschelnd beide Mannschaften begrüßte. Riesige Duisburger Fahnen wurden dazu mehr oder weniger schwingend geschwenkt.

Der Anpfiff ertönte, die Sonne verschwand und dunkle Wolken zogen auf. Duisburg zeigte sich engagiert und zweikampfstark und bremste die Turbinen abrupt in ihrem Spielaufbau aus. Da kam aus Potsdamer Sicht nichts so richtig in Gang. Das Raunen über abgewehrte Torchancen auf der Duisburger Seite häufte sich.

Der Himmel begann bei diesem Anblick an zu weinen, erst leise, und dann immer lauter. Ein „netter“ langanhaltender Regenguss entlud sich über alle Spielerinnen und alle Stehplatz-Fans. Eine unbewirtschaftete Holz-Imbissbude bot Zuflucht für durchweichte Fans. Andere harrten im triefenden Regen aus. Nur die Harten kommen in den Duisburger Garten. Beide Fan-Taktiken nützten nichts, die 1. Halbzeit war wieder mal nicht sehens- sondern eher leidenswert.

Es regnete unentwegt, auch während der Halbzeitpause und auch beim Anpfiff zur 2. Halbzeit. Eine nette Geste des Stadionsprechers folgte, der alle Stehplatzausharrenden auf die fast leere Tribünenhälfte einlud, um überdacht dem weiteren Spielgeschehen beiwohnen zu können. Aber da man nicht noch nasser als nass werden konnte, machten die meisten Fans davon keinen Gebrauch. Trotzdem herzlichen Dank für diese wirklich freundliche Geste!

Ebenso gestenreich kümmerte sich das Duisburger Maskottchen, dieses blau-weiß-gestreifte Zebra namens Ennatz, um die Turbinefans. Es trommelte euphorisch mit, versendete Luftherzchen, stand für Fotoshootings bereit und spielte hinter der Bande Verstecken.
Trotz dieser unterhaltsamen Ablenkung, die irgendwie bei der bisherigen Spielqualität notwendig erschien, schielte der eine oder andere Fans am Zebra vorbei auf den Rasen und konnte beobachten, dass es nun etwas besser lief. Die Torchancen häuften sich, aber auch die Anzahl der gelben Karten. Als unser Dampflökchen aufgrund einer Notbremsung im Strafraum schmerzlich darniederlag, zeigte die Schiedsrichterin auf den Elfmeterpunkt. Auf Kaykay (Elise Kellond-Knight) war souverän Verlass und Turbine durfte nun nach knapp 60 Spielminuten mit 1:0 in Führung gehen. Dezenter Jubel kam auf – und es regnete weiter.

Und dann wiederholte sich der Spielverlauf fast analog zum vergangenen Spielsonntag. Nicht nur die annähernd gleichen Aus- und Einwechslungen erinnerten an den erfolgreichen 1. Spieltag gegen den USV Jena, sondern auch die letzten zehn Spielminuten. Potsdam hatte noch ausreichend Puste und Spielspaß, sodass es jetzt zu zwei 100%ig vergebenen Torchancen kam. Huth und Gasper standen nacheinander jeweils allein vorm Tor und „versemmelten“. Dazu gesellte sich noch ein Lattentreffer. Spätestens jetzt erschien der Elfmeter-Sieg verdient.
Ein kampfbetonter 1:0-Sieg und damit drei Punkte. Viel Arbeit, wenig Lohn. Nach dem „Wie“ wird spätestens am Folgetag niemand mehr fragen.

Am Ende wurde verhalten gejubelt, bei der Mannschaft wie auch bei den Fans. Anschließend galt es, den Kampf mit der triefend nassen Blockfahne aufzunehmen, die während des Spiels neben dem Spielfeld ausgebreitet auf dem Rasen lag. Beim Hinaustragen aus dem Stadion hinterließ sie eine Schleifspur.
Ein kurzer Plausch mit der Ex-Duisburger und aktuellen Schweizer Nationaltrainerin Voss-Tecklenburg entspann sich vor dem Einsteigen in den Fanbus. Auch der neue Busfahrer des Mannschaftsbusses wurde im Vorbeimarsch beäugt. Er hieß nicht René.
Auf der Rückfahrt entspann sich ein idyllischer Regenbogen am Autobahnhimmel. Also alles easy, alles cool. Drei Punkte halt. Und Tabellenzweiter.

Außerdem bedankte sich der im Fanbus oft mitreisende Schatzmeister von Turbine Potsdam, Hans-Jürgen Schlotter, mittels zahlreicher Piccolos (oder heißt das Piccoli?) bei den Passagieren für die freundliche Mitnahme in dem Fangefährt sowie für das lautstarke auswärtige Engagement.

Gewonnen ist gewonnen und nicht zerronnen.

Nun gibt es zwei Wochen Pause, bevor sich dann vereinzelte Fans auf den langen Weg nach Freiburg begeben werden. Für eine eintägige Fahrt ist einem Fanbus diese Distanz zu lang.

Text: Susanne Lepke
Fotos: Susanne Lepke, Peter Tietze

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