Sieg vergeigt

Spielbericht zum
Bundesligaspiel 1.FFC Frankfurt gegen 1.FFC Potsdam am 17. Februar 2019

Nach dem Nachholspiel am vergangenen
Sonntag, das siegreich mit 3:2 gegen den SC Sand endete, galt es nun, mit
hochgradiger Zuversicht in die Rückrunde zu starten. In Frankfurt am Main –
nicht Oder… – stand nämlich der Wegweiser, der auf die Richtung zur Champions League-Qualifikation
hinwies. Nicht nur beim Turbine-Hallencup, sondern auch in der allgemeinen
Saison sollte endlich mal wieder internationales Flair in die Potsdamer
Frauenfußballwelt Einzug halten.

Der Fanbus startete frühmorgens
um 4.00 Uhr in Richtung Bankenmetropole und war gut gefüllt. Leider fehlten
einige Stammfahrer_innen aus gesundheitlichen oder familiären Gründen, denen an
dieser Stelle gute Wünsche und nette Gedanken zu Teil werden sollen.

Überpünktlich traf der Bus am Ziel ein, die Stadiontore waren noch verschlossen. Als Zeitüberbrückung diente eine „Verbrüderungsszene“, denn es wartete bereits ein weiterer Reisebus vor den Stadiontoren. Dieser war mit Einwohner_innen der Heimatstadt von Tory Schwalm bestückt. War es doch tatsächlich gelungen, viele Menschen dieses Ortes zusammenzutrommeln, um der Potsdamer Spielerin die Ehre zu erweisen. Manche der Mitreisenden sollten zum ersten Mal ein Frauenfußballspiel erleben. Eine großartige Aktion, die bisher einmalig in der Vereinsgeschichte von Turbine Potsdam ist. Diese musste natürlich sofort auf einem Großgruppenfoto festhalten werden.

Fanclub „Turbinefans“ mit Fanclub „Tory Schwalm“ vereint (Foto: peti)

Als sich die Stadiontore eine
Stunde vor Spielbeginn öffneten, war die Begrüßung seitens der Einlasskräfte,
wie bei den letzten Begegnungen auch, sehr freundlich. Der Eintrittspreis für
die Fanbusreisenden minimierte sich dank 25 Freikarten auf 1€ – vielen Dank
dafür an den gastgebenden Verein! Das 28-seitige Stadionheft gab es kostenlos
dazu, ebenso ein Gratis-Tombola-Los.

Turbinefans in Frankfurt (Foto: sas)

Die Frühlingssonne begann mit ihrer
Aufwärmung. Das Cateringangebot belief sich neben dem gewohnten Bier auf
Apfelwein, Rindswurst, Frikadelle… äh… Bulette und delikat aussehenden
Kuchenstücken. Ergebnis: Beste Stimmung.

Wir sind ein Team. (Foto: sas)

Als der Stadionsprecher die Gäste um die Mittagszeit mit einem frischen „Guten Morgen!“ begrüßte, tat dieser Widerspruch der Stimmung keinen Abbruch. Und seine Feststellung, dass sich die Potsdamer Fans lauter als die Frankfurter Fans anhören würden, erst recht nicht. Dass man bei den Auswärtsspielen nur selten als Fan eingeladen wird, in einem angemessenen Tempo die Spielerinnen-Aufstellung mitsprechen zu dürfen, ist man (leider) gewohnt. Aber während des Verlesens der Mannschaftsaufstellung kam es zu einer ungewohnten Formulierung seitens des Stadionsprechers. Zitat: „…Nr. 13: Riecke Dieckmann, Nr. 19: Felicitas Rauch, und nun die Ausländer: Nr.23: Clara Cahynova, Nr. 24: Lara Prasnikar, Nr. 25 Rahel Kiwic…“ Bei dieser Wortwahl breitete sich im Potsdamer Fanblock Verwirrung aus: Seit wann wird ein Sportteam nach der Herkunft zerteilt?! Es roch nach Diskriminierung.

Wie dem auch sei: Nach einer
Schweigeminute für die beiden verstorbenen, ehemaligen Frankfurter Spielerinnen
Heidi Mohr und Katharina Lindner wurde das Spiel angepfiffen. Es war die Begegnung
Nr.55 zwischen Frankfurt und Potsdam – Tradition pur.

Auch die ehemalige
Bundestrainerin Sylvia Neid und „Natze“ Nadine Angerer weilten unter den
angeblich 1700 Zuschauenden. Das Stadion, dessen Größe mit dem „Karli“
vergleichbar ist, wirkte irgendwie leerer als die genannte Zahl.

Potsdam startete sehr gut ins
Spiel, ergriff sofort die Initiative und wirkte spielbestimmend. Diese
Überlegenheit wurde auch belohnt, als Rahel Kiwic („Ausländerin“) in der 12.
Minute zum 1:0 einköpfte. Ihre Frisur erschien heute besonders hochgesteckt;-)

Kopfballverlängerungsmaßnahme (Foto: sas)

Ein Torjubel entspann sich im
Potsdamer Fanblock, die Freude und die Zuversicht über einen souveränen Start
in die Rückrunde waren groß. Jedoch waren die Feiergesänge noch gar nicht
beendet, als drei Minuten später das Ausgleichstor durch Marith Prießen
erfolgte.

Torjubel nach dem 1:0 durch Rahel Kiwic (Foto: sas)

Ah ja, so so… Gut, dann
trotzdem weitermachen! Die Potsdamer Antwort sollte dann ein Strafstoß sein,
denn die Schiedsrichterin, die in dieser Partie wenig zeigte, zeigte in der 26.
Minute nach einem Handspiel auf den Elfmeterpunkt. Feli Rauch verwandelte
diesen souverän: 2:1 für Potsdam.

Das gab Auftrieb: Ein Potsdamer Eckball
folgte dem nächsten, dagegen ließ der „heißgeliebte“ Frankfurter Eckball-Ruf
„Ecke, Ecke? Tortortor!“ lange auf sich warten. Auch gab es einige Torchancen
für Potsdam, z.B. durch Huth, Prasnikar und Cahynova. Doch es sollte beim
Halbzeitstand von 2:1 bleiben.

Freistoß (Foto: sas)

In der zweiten Halbzeit begannen
die Turbinen eher zerfahren und unwillig. Die spielerische Überlegenheit
verblasste. Man gewann den Eindruck, Frankfurt ins Spiel bringen zu wollen. Das
Mittelfeld wirkte leer, die Laufbewegungen eher statisch, viele Zweikämpfe
wurden gar nicht erst angegangen. Die ersten 20 Minuten schienen kaum
sehenswert und unterhaltsam, sondern plätscherten so dahin. Nur die kaum
nachvollziehbare Schiedsrichterleistung sorgte für „Unterhaltung“. Fouls wurden
auf beiden Seiten nicht gesehen, auch das eine oder andere Abseits nicht. Dafür
durfte der Frankfurter Trainer auf die Tribüne abwandern – und auch Rudi musste
gleich zu Spielbeginn den Pärchenbetrieb einstellen. Denn in der Coachingzone
darf immer nur ein Trainer oder Trainerin stehen. Ja. in Frankfurt kann man immer
wieder etwas dazulernen!

Muss man (frau) nicht pfeifen… (Foto: sas)

In diesem „Geplätschere“ und
„Belagere“ fiel dann eher aus dem Nichts das 3:1 für Turbine Potsdam. Tori
Schalm hatte sich überlegt, ihrer heimatlichen Fangemeinde eine Ehre zu
erweisen und netzte in der 69. Minute mithilfe des Pfostens ein. Das passte!

Nur für euch, liebe Heimatfans!

Aber wie schon beim ersten
Gegentor ließ auch diesmal die Frankfurter Antwort nicht lange auf sich warten:
Bereits vier Minuten später fiel durch Geraldine Reuteler der Anschlusstreffer.

Hmmm – nun galt es, die
3:2-Führung über die verbleibenden 20 Minuten (incl. Nachspielzeit) zu retten.
In der 80. Minute sollte der Doppelwechsel von Bianca Schmidt und Luca Maria
Graf für Praniskar und Schwalm nochmal frischen Wind bringen. Und tatsächlich
kam nun endlich Spannung auf, denn Frankfurt drehte auf und wollte unbedingt
den Ausgleichstreffer. Die Partie wurde kopfloser, es gab mehr Reaktion als Aktion.
In der 87. Minute lief die Frankfurterin Shekiera Martinez allen auf und davon
und erzielte tatsächlich diesen gewünschten Ausgleich.

nieder(und)geschlagen (Foto: sas)

Sprachlosigkeit, Frust,
Kopfschütteln. Wann hatte Potsdam in der Vergangenheit schon mal so klar
geführt und dann die Führung hergegeben. Das ist lange her.

Das Unentschieden erzeugte puren,
knallharten Frust – bei den Spielerinnen wie bei den Fans. Der Wegweiser in
Richtung Champions League – Qualifikation wurde in der 87. Minute demontiert.

Auch, weil die im Anschluss
stattfindende Spitzenspiel zwischen Bayern und Wolfsburg nicht in einem 3:3,
sondern in einem 4:2-Sieg für die Bayern endete.

Ja – die Saison ist noch lang,
Wunder können geschehen, und rein rechnerisch… all diese Floskeln haben ihre
Berechtigung. Den aktuellen Frust beheben sie jedoch nicht.

Text: Susanne Lepke

Fotos: Saskia Nafe (sas), Susanne Lepke (sule), Peter Tietze (peti)