Seelenfrieden – – – Turbine Potsdam gegen Bayern München

Spielbericht zur AFBL-Begegnung 1. FFC Turbine Potsdam gegen FC Bayern München am 21.10.2018

 

Bereits eine Stunde vorm Anpfiff kam es zur Schlangenbildung vorm „Karli“. Obwohl das Spiel im Fernsehen übertragen wurde, strömten ungewöhnlich viele Menschen zur Heimspielstätte des 1. FFC Turbine Potsdam. Sonniges Herbstwetter, Spielbeginn erst 15.00 Uhr anstelle 14.00 Uhr, noch dazu eine Spitzenpartie – insgesamt 2058 Frauenfußballinfizierte wollten an diesem Sonntagnachmittag einfach nichts anderes vorhaben. Potsdam kann es also doch noch, was die 2000er Grenze anbelangt – Zuschauerrekord in der noch jungen Saison, die eher mit Zuschauerschwund an allen Stadionorten zu kämpfen hat.

 

Unter den 2058 Zuschauenden weilte…

auch der Trainer der Nationalmannschaft Horst Hrubesch und der Brandenburgische Finanzminister – wenn sich beide Besuche auszahlen, wäre das atemberaubend.

Außerdem wurden die „weitangereisten“ Bayernfans aus Mahlow und weiteren Berliner Speckgürtelörtchen durch den Stadionsprecher begrüßt. Und diese durften alle ihr Kuscheltier ins Stadion mitbringen. Welch kuschelige Gastfreundschaft, welch warmherziger Luxus, welch Neid!

Auf geht’s mit dem Ärmelhochkrempeln_Foto: sas

Hätten von diesen 2058 Zuschauenden alle das vorangegangene Auswärtsspiel gegen die SGS Essen geschaut, wären wohl nur 58 Unverwüstliche ins Stadion gekommen. Aus der Sicht der Fanbusbesatzung sollte sich heute eine Zitterpartie anbahnen, mit Dauer-Kopfschüttel-Syndrom und einem prognostizierten Kantersieg für Bayern. Von Optimismus keine Spur, höchstens eine insgeheime, ganz stille Hoffnung, die sich hütete, nach außen dringen zu wollen.

 

Das Motto des Spiels

Trotzdem stehen die reisewütigen, eingefleischten Turbinefans hinter ihren Mädels. Jojo Elsig hatte in einem sozialen Netzwerk zum „Ärmelhochkrempeln“  aufgerufen, und die enttäuschten Essen-Reise-Fans ein knallharten „A…aufreißen“ gefordert.

Beim vorbereitenden Anbringen der Blockfahne fragte eine beobachtende Fanfrau irritiert, ob man diesen Stoffberg heute überhaupt bräuchte. Die trotzige Antwort der Blockfahnen-Inhaber_innen lautete prompt: „Ja, zweimal!“

 

Turbine mit Volldampf voraus

Genesene Amanda Ilestedt wieder im Aufgebot_Foto: sas

Und los ging’s, mit richtig Pfeffer im Gepäck! Die Startaufstellung war mal wieder vom Trainer mächtig durchgeschüttelt worden: Treue Vereinskameradinnen wie Kiwic, Schmidt und Schwalm begannen die Partie im Sitzen, während die genesene Amanda Ilestedt wieder mitspielen durfte. Die Torwartfrau Lisa Schmitz fiel weiterhin verletzt aus, somit hütete wiederholt Vanessa Fischer das heimische Gehäuse.

Und dann passierte kurz nach Anpfiff das Unglaubliche! Diese Blockfahne, die geduldig ihrer Dinge ausharren wollte, wurde flugs in voller Breite entfaltet. Bereits in der 3. Minute klingelte es heftig im gegnerischen Tor. Rieke Dieckmann gelang die Vollendung eines Stochertors – der Überraschungscoup war gelungen! 1:0 gegen diesen oberkarätigen und durchfinanzierten Bayernkader, der irgendwie einen Kopf größer und im Kreuz ein Kruzifix breiter wirkte. Was bahnte sich hier denn an? Ein Oktoberfest inmitten von Potsdam-Babelsberg?!  War das „Maß“ jetzt voll?

Torjubel_Foto: sas

Und die Turbine-Welle rauschte weiter, schwappte über die bayerische Abwehr hinweg, umspülte den Strafraum, bis die Schiedsrichterin kurze Zeit später auf den Elfmeterpunkt zeigte. Bitte, wie?! Sollte es in Kürze, gerade mal nach 10 Spielminuten, 2:0 stehen?

Im Fanblock machte sich preußische Bescheidenheit und ein soziales Mitgefühl zu den arg gebeutelten Bayernmadels breit. Nee, das wäre doch des Guten zu viel… kann man so doch nicht bringen… echt jetzt, ey…

Feli Rauch spürte das, was die Fans im Block D dachten, und setzte den Elfmeterschuss galant an den Pfosten. Mist, verdammter, wäre ein 2:0 doch irgendwie brillant schön gewesen. Aber nach dem ausgehungerten Spiel in Essen wollten alle wohl auf dem Boden der Tatsachen bleiben und nicht gleich überschwänglich nach den Sternen greifen.

Und so ging die Partie munter weiter. Die bayerischen Damen, die etwas müde und behäbig wirkten, kamen jetzt besser ins Spiel. Und es dauerte nicht allzu lange, bis Nicole Rolser zum 1:1 ausglich. Es sollte so sein.

Der Stimmung auf den Fanrängen tat das keinen Abbruch. Die 2058 Zuschauer_innen durften ein  spannendes Spiel verfolgen, bei dem es nun munter hin und her ging. Torchancen entspannen sich auf beiden Seiten und der bayrische Trainer Thomas Wörle forderte in regelmäßigen Abständen unverhohlen und wildgestikulierend seine Elfmeter ein.

 

Ein Loblied

Kurzzeitig ausgebremst_Foto: sas

Das war ein kampfbetontes Spiel! Potsdam hatte sein Mittelfeld wiedergefunden. Gina Chmielinski ackerte und wirbelte ununterbrochen und bekam alle Bälle, die nicht über ihrem Kopf hinweg schwebten. Auch Anna Gasper spielte auf der Sonnenseite. Sarah Zadrazil und Rieke Dieckmann pumpten und ächzten, lagen darnieder und rappelten sich wieder auf – welch Kampfgeist! Auch dem Tagwerk von Jojo Elsig konnte man bei diesem Spiel genießend verfolgen. Und würde eine Lara Prašnikar einfach mal aus bester Torposition knallhart abziehen, dann würde hier nicht nur der Konjunktiv stehen, sondern ein fettes 2:1. Nicht zu vergessen – weil unvergessen – einmalig – und hochverdient am Ende zur „besten Spielerin“  gekürt: unser Dampflökchen Svenja Huth, die überall war und manchmal wie ein Flöckchen tanzend umherwirbelte, wenn eine Gegenspielerin sie wuchtig ausbremste.

Falls eine brillante Spielerin vergessen wurde zu erwähnen: Bitte um Nachsicht. „Die Mannschaft war der Schtar“;-)

 

Seelenfrieden

Ein absoluter Seelenfrieden stellte sich nach dem vergangenen Wochenerlebnis ein: Hier stand eine kompakte Mannschaft auf dem Platz, die den Kampf zum Gesichtwahren aufgenommen und die Ärmel auf Muskelshirthöhe hochgekrempelt hatte. Es machte einfach Spaß, dieser spannenden Partie beizuwohnen. Emotionen pur – und Genugtuung zum Schluss. Ein Unentschieden, das man in der letzten Saison aufgrund der inflationären Verbreitung zum Himmel hätte schießen können, ging hier völlig in Ordnung.

Danke, Mädels, Danke!

Schauen wir euphorisch in die Zukunft. Nach einer mageren Ausbeute von 7 Punkten in 5 Spielen fahren wir nun frischbefreit nach Bremen, empfangen anschließend den leergekauften Kader aus Freiburg und schnuppern dann noch in Mönchengladbach.

Das dürfte tabellenmäßig klappen.

 

Text: Susanne Lepke

Fotos: Saskia Nafe (sas), Susanne Lepke (sule)