In aller Freundschaft – Applaus für die 1:1-Klatsche

Spielbericht zur doppelten Begegnung: 1. FFC Turbine Potsdam gegen den FF USV Jena am 25.08.2019

Frauenfußball bewegt.

Der Fanclub Turbinefans duelliert sich mit dem Fanclub von USV Jena

Premierenveranstaltung und Erreichen eines neuen Levels der Fankultur der Frauenbundesliga: Der Fanclub Turbinefans hatte den Fanclub des USV Jena zu einem 2x 15min-Match auf dem Nebenschauplatz des „Karlis“ eingeladen. Vor dem Spiel der Profis sollte erstmalig ein Spiel der Fan-Profis stattfinden – eine pure Geschichtsschreibung sollte in der gehobenen Frauenfußball-Liga stattfinden.

Zahlenmäßige überlegen (Foto: saspa)

Dem quantitativ imposanten und äußerlich vielfältigen Kader aus Potsdam, mit professionellem Coaching durch Dina Orschmann (verletzte Spielerin der 1. Mannschaft) versehen, hatte Jena jugendliche Power, Spielwitz, enorme Athletik, taktische Überlegenheit und kluge Vertragsneuverpflichtungen entgegenzusetzen. Zwei streunenden Babelsberger 03-Jungs, geschätzte D-Jugend wurde spontan eine neue Spielheimat gegeben. Nachdem die beiden hart austrainierten Babelsberger Jungs das rote Trikot übergestreift hatten, verjüngte sichsich der Kader aus Thüringen schlagartig um weitere zehn Jahre.

Doch Spaß (vorerst) beiseite.

Seit Jahren pflegen die beiden Ost-Vereine eine Fanfreundschaft. Auch in schlechten Zeiten, als der USV finanziell am Ruin stand. Respekt gilt dem Fanclub aus Jena, der sich extrem für das finanzielle Überleben des Thüringer Vereins engagierte und am Ende der letzten Saison nicht nur die Genesung, sondern auch den Wiederaufstieg in die 1. Bundesliga feiern durfte.

Engagiert zeigen sich auch die Turbinefans außerhalb des Stadions, wenn es darum geht, Wohnungsumzüge für die Spielerinnen mitzugestalten, Taxifahrten für Flughafentransfers anzubieten, Spenden für den Nachwuchs zu sammeln – und eben den USV Jena bei seinem finanziellen Abstiegskampf zu unterstützen.

Auf geht’s zum Ostderby (Foto: saspa)

Und als sei in der Vorsaison nichts gewesen, flog ein jung dynamischen Team aus der Universitätsstadt Jena in Potsdam ein, um der Einladung für das Freundschafts-Match zu folgen. Der Potsdamer Kader hatte seit der ersten Schnapsidee am Ende der vorangegangenen Saison weiterhin hart trainiert. Am letzten Heimspieltag der Saison 2018/19 gab es damals ein Fanspiel: Blau gegen Rot, das von den TP-Spielerinnen persönlich beäugt, betrommelt und betrötet wurde. Seitdem hatte der breit aufgestellte Fankader immer mal wieder hart in Potsdam-West trainiert. An dieser Stelle gebührt dem TP-Fanclub-Vorstandsmitglied Bernd Gewohn ein herzliches Dankeschön für die Rundum-Organisation des Fanspiels.

Rasenkunst auf dem Kunstrasen

Bei mindestens 34 Grad ertönte nach einer professionell angeleiteten Potsdamer Warmup-Phase der Anpfiff unter den Augen des Vereinspräsidenten Rolf Kutzmutz, des sportlichen Geschäftsführers Stephan Schmidt und des Vorstandsmitglieds Uwe Reher.  Der erfahrenste und fairste Schiedsrichter der TP-Region wurde extra für diese Partie engagiert.

Der Präsident Rolf Kutzmutz (links nicht rechts) live vor Ort (Foto: jes)

In den ersten fünf Minuten überwand der Ball glitt schnell, geradlinig und durchdacht den Kunstrasen. Der Qualitätszuwachs war auf Potsdamer Seite in den vergangenen vier Monaten enorm gewachsen. Und als dann noch das unentdeckte Stürmertalent Ingo für Potsdam zum 1:0 einnetzte, war die Potsdamer Fanwelt perfekt! Ingo startete somit blitzschnell zum uneinholbaren Torschützenkönig der neuen Saison durch – einfach atemberaubend!

Potsdams unentdecktes Talent (Foto: saspa)

Doch währte die überbordende Siegesfeier nicht lange, obwohl Torwartfrau Daggi mehrmals „den Ball hatte“. Jena zeigte sich unbeeindruckt, das Ziel klar vor Augen, gestärkt mit einem souveränen Falco-Torwart im Rücken und stürmte mit durch und durch männlichen Eifer nach vorn. Der Ausgleich ließ nicht lange auf sich warten: Auch nicht das 1:2 und das 1:3 und das …

Welch Energie welch Flockenwirbel selbst der Ball ist bunt (Foto: saspa)
Da, wo ihr spielt, sind wir (Foto: jes)

Bei manchen Potsdamer Fans hörte nun der Spaß auf. Jena tänzelte leichtfüßig über den Kunstrasen und zeigte technische Perfektion. Das unentdeckte Talent Ingo zelebrierte nach einem angeblichen Foul den sterbenden Schwan. Potsdam fiel auch durch seinen hohen weiblichen Anteil auf dem Rasen auf. Die sportliche Einstellung bei Alina stimmte, Lisa schoss stramm daher und beeindruckte mit starte Zweikampf- und Abwehrleistungen. Auch Susi zeigte sich kämpferisch. Und der Potsdamer Torwart Frank verhinderte durch hohe Wachsamkeit ein zweistelliges Endergebnis. Jena spielte auf einem beeindruckenden Fitnesslevel durch, während Potsdam im Minutentakt auswechselte und aushechelte. Phasenweise spielte Jena sogar unbemerkt in Überzahl – aber Schwamm drüber.

Hand, hohes Bein, der Torwart fleht (Foto: saspa)

Am Ende gab es die ernüchternde Klatsche für den Potsdamer Fanclub: 1:6. Am Spielfeldrand wurden ab sofort sieben Trainingstage pro Woche gefordert. Aber der eigentliche Spaß wanderte nicht von dannen. Freudige Gesichter klatschten sich nach dem Schlusspfiff ab, Glückwünsche rieselten auf die Gäste neider – und das spiegelverkehrte Ergebnis der sich anschließenden Bundesliga-Partie erschien prophezeiend am Babelsberger Himmel.

Mannschaftsfoto nach dem Spiel – mit mehr Rotanteil im Gesicht (Foto: saspa)
Die Kapitäninnen unter sich (Foto: sas)

Zweiter Teil des Spieltages: Weibliche Power am Werk

Erster Heimspieltag der neuen Saison im „Karli“: Nach der unglücklichen Niederlage auswärts gegen den „sterbenden“ Verein 1.FFC Frankfurt sollte nun ein Sieg her. Bei herrlichem Sommerwetter strömten fast 1.300 Zuschauer_innen ins Babelsberger Stadion, knapp doppelt so viele wie bei der Liveübertragung der Partie von Bayern München gegen den 1.FFC Frankfurt am vergangenen Freitag. Frauenfußball bewegt – oder eben auch nicht…

Der USV Jena war zu Gast bei Freunden – und gut 20 echte Fans aus Jena hat sich auf den Weg ins flache Land gemacht. Gelöste Stimmung, das kühle Bier genießend und die nach Jena abgewanderte Ex-Turbine Inga Schuldt willkommen heißend. Frauenfußball bewegt.

Fanblock D (Foto jes)

Auch wenn die rechte obere Ecke der digitalen Anzeigetafel versagte: Die Namen der Spielerinnen beherrschten die Fans auch ohne Ablesen perfekt – mit Ausnahme der slawischen Namen der Neuzugänge. Jedoch sollte sich das Wissen um einen dieser Zischlaut-Namen während des Spielverlaufs einprägen.

Freundschaftliches Abklatschen (Foto: sas)

Nach dem Anpfiff begann die Partie recht munter. Potsdam hatte Lust – und Jena auch. In den Anfangsminuten war nicht zu spüren, dass Jena beim vorhergehenden Spiel mit einem 1:6 von der TSG Hoffenheim abserviert worden war.

Doch dann glänzte mal wieder die zukünftige Torschützenkönigin der neuen Saison: Lara Prašnikar. Mit einer hübschen 1:0 Führung in der 14. Minute war die Freude auf der Trainerbank und den Fanrängen groß. War man in Frankfurt stetig in Rückstand geraten, wendete sich hier das Blatt ins Gegenteilige. Vorerst.

Was gucckst du? Ja, dieser Ball ist drin! (Foto: sas)

Denn Jena steckte nicht auf, wartete sieben magische Minuten, um mit einem sehenswerten Konter durch Chiastakova den Ausgleich zu erzielen.

Bei einer sich anschließenden Trinkpause aufgrund der immer noch sehr hohen Temperaturen durften beide Mannschaften darüber nachdenken, wie die unmittelbare Zukunft im „Karli“ aussehen sollte. Da der USV Jena ohne seine Fans vermutlich nicht mehr am Leben wäre, erinnerten sich die Spielerinnen an den Spielverlauf des vorangegangenen Fanspiels: Potsdam war hier in Führung gegangen, Jena hatte ausgeglichen – und dann mit einem erneuten Treffer die Potsdamer schamlos überholt. Ja, so war das! Und Maren Tellenbröker erinnerte sich an dieses einmalige Fan-Vorbild und nutzte den Torwartfehler von Vanessa Fischer aus, um den Ball selbstbewusst zum 1:2 zu versenken. Jojo Elsigs Miene verfinsterte sich augenblicklich…

Ah ja – ähm – wie jetzt? Och nö!

Fünf Minuten ließ man Jenas Fans feiern und unüberhörbar trommeln. Dann kam die zukünftige Torschützenkönigin wieder ins Spiel – und an den Ball – 2:2! Und dann prasselte mit Prašnikars Ausgleichstreffer die Antwort wie ein Starkregen darnieder: 4 Tore in 8 Minuten! Nach dem Ausgleichstreffer erlernten die Potsdamer Fans in der 39. Minute die Aussprache des polnischen Namens Mesjasz. Danach versenkte Nina Ehegötz einen genialen Langschuss und kurz vor der Halbzeit gelang Tori Schwalm ein Abstauber-Abseitstor, was eigentlich nicht hätte zählen dürfen.

 

Und Potsdam zeigte, dass das Ummünzen von Standardsituationen keine alleinige Frankfurter Vokabel mehr war: Zwei der vier Tore resultierten aus Eckstößen. Es geht aufwärts in Potsdam!

Sieben Tore in einer Halbzeit, welch erheiternden Schützenfest! Frauenfußball bewegt.

Attacke! (Foto: sas)

In der Halbzeitpause fand zur allgemeinen Unterhaltung wieder ein kleiner Fan-Wettbewerb statt: Wer trifft die Sponsoren-Fahne am genauesten? Ein fußballgetöppter Fan aus Jena trat gegen einen sandalenbekleideten Potsdamer Fan an. Und auch hier hatten die Jenaer Fans die Nase weit vorn und gewannen auch dieses Fanspiel. Ein weiteres Indiz der Fanfreundschaft.

Geballte Frauenpower (Foto: sas)

Die zweite Halbzeit

Sieben Tore hatten die Fans insgesamt bei ihrem Fanspiel erzeugt – und sieben Tore wurden in der ersten Halbzeit durch die Profis erzielt. Somit lagen die Erwartungen an die zweite Halbzeit hoch. Doch trotz eines weiterhin munteren Spielverlaufs sollte in der zweiten Halbzeit nur noch ein einziges Tor fallen. In der 61. Minute tankte sich Tori Schwalm nach zwei gewonnen Zweikämpfen bis zum Strafraum im Alleingang durch. Hochverdient, denn die Potsdamer Nr.17 ackerte und rackerte entlang der Seitenlinie und wurde zurecht als Spielerin „of the match“ geehrt.

Dass Tory in der 81. Minute nach einer meisterlichen Flanke von Anna Gasper das leere Tor nicht traf, wird hier nur geflüstert. Pssst! Am meisten ärgerte sie sich selbst darüber und versprach gleich vom Platz aus, dass ihr das nie wieder im Fußballleben passieren würde.

Chancentöterin von Arnold milde belächelt (Foto: sas)
Hochverdiente Ehrung (Foto: sas)

Marie Höbinger sorgte übrigens nach ihrer Einwechslung in der verbleibenden Viertelstunde nochmal für frischen Wind und begeisternde technische Raffinesse. Ein zierlich-quirliges Nachwuchstalent!

Potsdam schob sich mit diesem torreichen Sieg auf den vierten Tabellenplatz vor.

Fazit: Hätte der männliche Fanclub von Jena gegen die Profimädels von Turbine gespielt, wäre die Begegnung vermutlich in einem Unentschieden ausgegangen.

Danke an die Fans (Foto: sas)

Ausblick

Der Ball ruht vorerst aufgrund der National-Abstellungsphase. In zwei Wochen geht es nach Bocholt zum DFB-Pokal-Spiel. Leider haben sich nicht ausreichend Passagiere für den Fanbus gefunden, sodass aus moderaten Kostengründen nach langer Zeit mal keine Fanbusfahrt stattfindet. Jedoch werden sich Fahrgemeinschaften verrückter Fans bilden, sodass der Support im Ruhrgebiet nahe der holländischen Grenze nicht ausbleiben wird.

Aber nach Köln zum nächsten BL-Spiel am 13. September, das aufgrund der medialen Initiative schon wieder an einem Freitagabend stattfindet (…), wird ein Fanbus rollen. Und dieser besagte Freitag, der 13., wird ein TP-Glückstag!

Text: Susanne Lepke

Fotos: Christian Nafe (saspa), Jens Schröder (jes), Saskia Nafe (sas)  – Vielen Dank!