Drei Punkte für die Kampfmoral

Spielbericht zum Bundesligaspiel: Bayern München gegen Turbine Potsdam am 20.10.2019

Der Fanbus rollte nach München – die Stimmung an Bord war gut.

Der Fanbus rollte zurück nach Potsdam – die Stimmung an Bord war ausgezeichnet.

Turbinefans auf dem Weg nach München (Foto: sule)

Dazwischen lag eine vierte Niederlage in Folge, eine für
Turbine ungewohnte Situation.

Die Fans applaudieren immer noch (Foto: sas)

Nach dem Schlusspfiff bedankten sich die ca. 150 anwesenden
Turbinefans bei ihren Spielerinnen mit stehenden Ovationen. Als die Fans nach
einer gefühlten Minute den Applaus nicht einstellten, schauten die Torbienen
irritiert. Ihre Ungläubigkeit stieg mit der dritten Applausminute. Diese
Beobachtung zeugte von der Zufriedenheit der Fans mit dem gezeigten Engagement
– trotz dieser verdammten vierten Niederlage.

Die Spielqualität war deutlich besser als ein Jahr zuvor
gewesen, als man damals mit Huth, Rauch, Ilestedt und Schmitz eine 0:5-Klatsche
einfuhr. Der Spielverlauf kann auch als eine Steigerung gegenüber dem Spiel der
Vorwoche gegen Freiburg gewertet werden, weil die Mädels diesmal bereits in der
ersten Halbzeit mit dem Fußballspielen begannen.

Pausbackiger Überflieger (Foto: sas)

Ein deutlicher Fortschritt gegenüber der letzten Saison ist
tatsächlich die veränderte Einstellung, die in einer hohen Kampfmoral deutlich
wird. Selbst nach größeren Rückständen stecken die Mädels nicht den Kopf in den
Sand, mutieren auch nicht zum chaotisch agierenden Hühnerhaufen. Unabhängig
davon, wie das heutige Spiel endete, es war sehenswert und für die
Fanbusreisenden ein lohnender Ausflug.

Laudehr sichert den Ball auf allen Vieren (Foto: sas)

Willkommenskultur im Bayern-Campus

Das Maskottchen saß wiederholt hinter bayrischen Gardinen. Die Plüschtiermitnahme ist in allen anderen Auswärtsstadien erlaubt, nur nicht in München. Das bayrische Plüschtier-Maskottchen hüpfte munter auf dem Rasen umher und galt als unentflammbar. Es vermochte nicht, die Herzen der bayrischen Zuschauer zu entflammen. Das Fanclub-Maskottchen kauerte währenddessen in einer vergitterten Sicherheitsbox. Die 135. Fanbusfahrt hatte für „Turbinchen“ in der bayrischen Sackgasse geendet. Die Begründung des Ordners war, „dass in Bayern halt vieles anders sei“. Ein inhaltsleeres Argument…

Die eingekaufte Samba-Trommelgruppe gab vor Ort wiederholt ihr Bestes. Der Turbine-Chor trällerte dazu lustig „Tanze Samba mit mir…die ganze Nacht“. Ohne diese Vertragsverpflichtung gäbe es im Bayern-Campus gar keine Stimmung. Bis auf ein paar stehende, rot bekleidete Herren, die an der anderen Eckfahne das Spiel verfolgten und mittlerweile den Frankfurter Fanspruch „Ecke-Ecke? Ecke-Tor-Tor-Tor!“ draufhaben, bestand die bayrische Fankultur aus Regungslosigkeit. Ohne die eingekauften Sambaklänge würde im alkoholfreien Campus (kein Bierangebot) leidenschaftslose Stille herrschen.

Na gut, aufgrund eines Kinderschmink-Angebotes und der Anwesenheit eine Ballonbastelkünstlers (im Rücken des Turbine-Fanblocks) wurde die Stadionruhe manchmal von Kindergekreische durchbrochen (nerv). Erwähnt sei an dieser Stelle, dass der Ballonkünstler das Höchstmaß seiner kreativen Ausbrüche in Richtung Potsdamer Fans lieferte. Imposante blau-weiße Hüte und Blumenbouquets sowie allerlei Getier erwuchsen aus aufgeblasener Luft.

Zu Gast bei der bayrischen Ballonkunst (Foto: bea)

Das Fanshopangebot mit seinen 3-4 Artikeln passte auf einen
kleinen Tisch, betreut von einem sich langweilenden Verkaufsmädchen. Potenzial
nach oben…

Positiv fiel auf, dass die Ordner diesmal mit lächelndem Gesicht Einlass ins Stadion gewährten. Freundlichkeit gehört nun also zu den neuen bayrischen Frauenfußballtugenden.

Positiv fiel auch auf, dass der eine oder andere bayrische
Fan nach dem Spiel das Gespräch mit den Turbinefans suchte und sich dabei
interessiert und respektvoll zeigte.

Das Tempo des Stadionsprechers beim Nennen der
Mannschaftsaufstellung der Gäste war rekordverdächtig… Daraufhin ertönte ein
ironisch gemeinter Sprechchor der Turbinefans „Schneller – schneller!“

Zusammengefasst heißt das, dass die Willkommenskultur in zarten Anfängen steckt und ausbaufähig ist. Der moderne Bayern Campus ist ein klinisch reiner Ort, aber wohl fühlt man sich als Gästefan woanders.

Anna vor bayrischem Publikum (Foto: sas)

Die erste Halbzeit

Wie bereits erwähnt, traten die Torbienen nach einer
anfänglichen Schnupperphase selbstbewusster und spielfreudiger als in der
Vorwoche auf. Turbine verfügte diesmal trotz Fehlen der Stammspielerinnen Kiwic
und Elsig über eine Abwehr – und im Tor stand diesmal wieder Vanessa Fischer,
die ihre Sache wirklich gut meisterte. Sara Agrež, wieder mit Maske spielend, zeigte eine auffallend starke Leistung.
An Caro Siems‘ bravouröses Comeback hatte man bereits beim vorangegangenen Spiel
genossen. Nach den ersten 10 Minuten stand es immer noch nicht 0:2 – wie eine
Woche zuvor gegen Freiburg. Das ließ hoffen!

Ninas straffer Schuss (Foto: sas)

Potsdam wurde
mutiger und Ehegötz straffer Torschuss imponierte. Auch Anna Gerhardt kam gegen
ihren Ex-Klub sehr gut ins Spiel und verbuchte eine Torchance für sich. Das
Spiel erzeugte Spannung, doch dann gelang es der 33-jährigen „Simon“ Laudehr,
nach einem Eckball einzuköpfen. Okay – Rückstände schocken die Potsdamerinnen
nicht mehr.

Doch nur eine
Minute später gab es einen Freistoß für Bayern, der Ball landete erneut im Tor.
Ein knallhartes 2:0 – die Kröte war jetzt doch schwieriger zu schlucken. Und der
plötzliche Spielstand zugunsten der Münchnerinnen erschien ungerecht.

Doch die
Torbienen steckten nicht auf, kämpften, wuselten, zeigten gute Spielzüge, auch
wenn der eine oder andere finale Pass im Nichts oder Rot versackte.

Enormen
„Unterhaltungswert“ erzeugten die Schiedsrichterleistungen an der Linie wie
auch auf dem Spielfeld. Es waren teilweise haarsträubende Entscheidungen, die
nicht nachvollziehbar sowie ungerecht erschienen. Die Krönung war zum Ende des
Spiels die gelbe Karte für den hochemotional protestierenden Trainer Rudi –
eine Premiere in seinem vierten Amtsjahr. Auch er entwickelt sich;-)

Gelbe Karte? Fehlanzeige. (Foto: sas)

Was man zum Ende der ersten Halbzeit gar nicht brauchte, aber trotzdem bekam, war eine Elfmeterentscheidung für Bayern. Die anwesenden Fans wunderten sich, weil sie die Logik der Entscheidung nicht nachvollziehen konnten. War da gerade irgendwas im Strafraum passiert? Hatte jemand etwas gesehen und konnte das erklären? Sollten sich so viele Augenpaare im „Ostblock M“ vereint irren? Im Fernsehen soll es wohl eindeutiger ausgeschaut haben. Allgemeine Verwunderung. 3:0 durch Demjanovic.  Halbzeit.

Elfer (Foto: sas)

Pausenunterhaltung
namens „Halbzeitkracher“

In München kann man
in der Halbzeit einen Audi im Wert von 40.000€ gewinnen: Wenn man zu einem der
beiden glücklich ausgelosten Teilnahmewilligen gehört, der oder die es schafft,
dreimal einen Lattenknaller zu schießen, kann man den Klimaprotest ignorieren
und in dieses Gefährt einsteigen. Vielleicht wird dieser Audi irgendwann zum
Oldtimer, weil es niemanden gelingt?

Ein
atemberaubender Geldwert – aber kein traditioneller Wert der
Frauenfußballkultur.

Bayern ist halt
anders.

Superwoman (Foto: sas)

Die zweite Halbzeit

Wie auch schon
gegen Freiburg kehrten die Mädels mit Körperspannung und Kampfeswillen auf den
Platz zurück. Ein 0:3-Rückstand stellte seit der Vorwoche nichts Ungewöhnliches
mehr dar und fühlte sich aufgrund selbstgemachter Erfahrungen als handhabbar
an. Leider mussten die souverän agierenden Nina Ehegötz und Anna Gasper
verletzungsbedingt nach der ersten Halbzeit ausgewechselt werden. Überraschend,
schade – und vernünftig. Gesundheit geht vor. Eingewechselt wurden die
17-jährige Sophie Weidauer und Gina Chmielinski. Und insbesondere die blutjunge
Sophie kennt in ihrem Alter nichts – außer den Ball. Kaum klebte dieser an
ihrem Fuß, netzte sich in der 47. Minute zum 3:1 ein. Welche Freude, welcher
Jubel, welche Hoffnung!

Mehr als nur eine Wasserträgerin (Foto: sas)

Auf geht’s,
Potsdam, auf geht’s!

Und die Torbienen
kämpften verbissen weiter und erspielten sich die eine oder andere Chance. Den
Beginn der zweiten Halbzeit dominierten sie, sodass sich die die bayrischen
Madels veranlasst sahen, während einer Spielunterbrechung einen kurzen
Gesprächskreis zu bilden.

Höher-weiter-schneller… als Dallmann(Foto: sas)

Munter ging es weiter, Torchancen gab es auf beiden Seiten. Hinzu gesellten sich nervenaufreibende, unprofessionelle Schiedsrichterentscheidungen: Lag eine bayrische Spielerin darnieder, wurde gepfiffen und reglementiert: Küsste eine Torbiene den Rasen, blieb das oft ungeahndet. Fouls häuften sich, die Kräfte ließen etwas nach, aber nicht der Kampfeswillen. Die Bayernfrauen erschienen nicht überlegen, präsentierten ebenso Fehlpässe und ungenutzte Torchancen. Das CL-Mittwoch-Spiel in Kasachstan steckte verständlicher Weise noch in den Knochen. Die Anzahl der Tore blieb bis zum Schlusspfiff unverändert.

Eine vierte Niederlage – aber ein gutes Spiel – am Ende mit heftigem Applaus der mitgereisten Fans bedacht.

Das kommende
Heimspiel am Freitag gegen Leverkusen zählt. Spielen die Mädels weiterhin so
engagiert, gewinnen sie!

Kommt zahlreich
zum Flutlichtspiel!

Auch Plüschtieren
wird Einlass gewährt;-)

Text: Susanne Lepke

Fotos: Saskia Nafe (sas), Beatrice Marten (bea) , Susanne Lepke (sule)