Draws kam, sah und siegte

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Spielbericht SC Sand gegen Turbine Potsdam am 26.03.2017

Ungefähr 750 Kilometer liegen zwischen dem „Karli“ und dem „Orsay-Stadion“ des SC Sand, einem Dorf bei Willstätt bei Offenburg im Südbadischen/Baden Württemberg. Hier blühen bereits die Forsythien, Magnolien und ersten Obstbäume. Die Weinberge stehen in den Startlöchern und Störche umkreisen das Stadion. Von der Ferne grüßt der Höhenzug des Schwarzwaldes.

Zu weit für eine Fanbusfahrt, der SC Sand und SC Freiburg fallen hierbei alljährlich durchs Raster. Also musste eine kreative Lösung her. Über einen Hauptbahnhof verfügt das Dörfchen Sand nicht, die Deutsche Bahn schied schon mal aus. Also eine Anreise per Auto, am besten ein größeres, in das 8 Menschen hineinpassen. Und hier kommt das Unglaubliche ins Spiel, denn eine „Fragen-kostet-ja-nichts“-Offerte an die TP-Geschäftsstelle, ob ein Kleinbus für diesen Fanausflug geliehen werden könne, endete prompt mit einem unkomplizierten Schmidtschen „Ja!“

So konnten 8 treue Fans im „kleinen Schwarzen“ (dem Mannschaftsbus der U15) nach Sand reisen. Dank des übergroßen Vereinslogo auf der Karosserie eine Frauenfußballwerbung quer durchs deutsche Land. Am Steuer saß ein souveräner Fahrer namens Peter T., der die ganze Leihauto-Sache eingefädelt hatte. Da 1.500 km an einem Tag zu sportlich sind, startete die Unternehmung bereits am Sonnabend zur Mittagszeit und schloss eine Übernachtung ein.

Nach 7,5 Stunden Fahrt und einer grandiosen Zieleinfahrt, die das Überholen des Mannschaftsbusses auf der Autobahn einschloss, erreichte das „Fanbüs-chen“ inmitten eines romantischen Sonnenuntergangsszenarios das Hotel „Schwanen“ in Nußdorf. Ein Dorf unweit von Sand, das bekannt ist durch seine überdimensionierte Kirche mitsamt viertelstündlichem Glockengeläut in unterschiedlichen Klangvariationen. Deshalb lag auf dem Hotelbett auch ein Gratis-Päckchen „Ohropax“ – kein Witz.

Das „Spätzle“-Abendessen war lecker, das „Ulmer Bier“ noch leckerer. Ein Bier, das nicht aus Ulm stammt, sondern sich vom Namen der regionalen Brauereifamilie ableitet. Und nach ein paar Gesprächen mit den einheimischen Gästen im Lokal „Schwanen“ meinte dann auch der letzte Stammtischler: „Ich hab‘ begreift“, was den Frauenfußball im Allgemeinen und „Turbine Potsdam“ im Besonderen betraf.

Nach den Spätzle gab’s irgendwann ein (kurzes) „Gut’s Nächtle“. Ein Verweis auf die „Gute-Nacht-Geschichte mit der Klobürste“ erübrigt sich, da nur für Insider verständlich.

Am Sonntagmorgen ging die Frühlingssonne eine Stunde später auf (Umstellung auf Sommerzeit) und schien unermüdlich. Bestes Fußballwetter! Jacke aus, Sonnenbrille auf und die Dorfkultur am Spielfeldrand beäugend. Die Sandner Hymne „Ich bin ein Dorfkind und darauf bin ich stolz… und auch aus gutem Holz“ verstärkte das heimelige Wohlgefühl und die Vorfreude auf dieses Bundesliga-Match.

Sarahs Großfamilie Zadrazil mit Eltern, Großeltern und Großtante, die 500 km Fahrweg auf sich genommen hatten, sowie Lia Wältis Eltern gehörten zum Zuschauerkreis und erhöhten die Anzahl der Potsdamer Fangemeinde auf faszinierende 38 Menschen.

Nach einem ausgeprägten Plausch beider Trainer liefen die Mannschaften auf, begleitet von Eskorte-Kindern einer regionalen F-Jugend, eines davon mit Gipsbein und eines mit ADHS-Symptom. Anstoß hatte Svenja Huth, der Ball rollte und knallte mal an den einen, mal an den anderen Torpfosten. Ein genial gedachter Huth-Lupfer kullerte zum gefühlten 0:1 ins gegnerische Tor, um dann doch noch überraschend auf der Torlinie von einer Sandner Spielerin abgewehrt zu werden.

Die erste Halbzeit war auch von Tragik geprägt: Inka Wesely verletzte sich nach wenigen Minuten am Knie, Eseosa Aigbogun fand im Sandner Rasen keinen Freund und musste ebenfalls verletzungsbedingt ausgewechselt werden. Auch bei den Gastgebern gab es eine Spielunterbrechung mit 112-Einsatz, da die künftige Bayern-Spielerin Damnjanovic bewusstlos am Boden liegen blieb. Aber sie konnte erstaunlicher und erfreulicher Weise danach weiterspielen.

Die Halbzeitpause wurde herbeigesehnt, um Luft zum Atmen und Raum zum Denken zu ermöglichen, denn durch die beiden verletzungsbedingten Ausfälle war die preußische Spielordnung etwas ins Wanken gekommen. Mit einem 0:0 ging es zum Pausieren in die Kabinen. Und Steffi Jones, die es sich als Bundestrainerin vorgenommen hatte, mit ihrem dunkelbraunen, schnittigem Mercedes jeden Verein einmal in der Saison zu besuchen, gab sich interviewend die Ehre. Im Mai wird sie bei der Begegnung: Turbine gegen Wolfsburg zu Gast im „Karli“ sein.

Und tatsächlich, mit dem Anpfiff zur zweiten Halbzeit schien die Turbine-Ordnung wiederhergestellt zu sein. Der Spielaufbau gelang besser, der Zug zum Tor war deutlich spürbar, die Torchancen reihten sich aneinander. Aber auch die gegnerische Torwartfrau Carina Schlüter zeigte lobenswerte Aktionen.

Die Mannschaft kämpfte vereint, Jojo Elsig trieb ihre Kolleginnen „e(l)msig“ nach vorn, Svenja Huth fand zu alter Form zurück. Und auch Lisa Schmitz ließ sich nicht von dem sie umkreisenden Storch irritieren.

Die Fans zählten eifrig den Ecken-Countdown herunter, beginnend bei 19 – „Nur noch achtzehn“, „nur noch siebzehn“ usw. – bei „nur noch zehn“ fand das Spiel ein Ende. Aber vorher passierte noch das zweite Unglaubliche an diesem Wochenende: Ulla Draws, für Inka Wesely eingewechselt, erlöste als „Aushilfskraft“ die „Torbienen“ und deren Fans in der 81. Minute. Ein schöner, tabellenrettender Spitzentreffer. Verdient hatten es die Potsdamerinnen allemal, denn in der zweiten Halbzeit waren sie die klar spielbestimmende Mannschaft. Trotzdem Erlösung pur!

In der letzten Saison hätte man ein solches, schicksalsgeprägtes Spiel verloren – jetzt gewinnt die Mannschaft solche als Mannschaft. Deshalb sei die „Drawsche“ Schlagzeile an dieser Stelle verziehen, aber Ehre, wem Ehre gebührt.

Die Torbienen bedankten sich, persönlich abklatschend bei den weitgereisten Fans, und auch Steffi Jones ließ es sich (wiederholt) nicht nehmen, in einen Dialog mit den Turbinefans zu treten. Erörtert wurde diesmal die Reform der eingleisig geplanten Zweiten Bundesliga. Am Ende verabschiedete man sich mit beiderseitig formulierter Wertschätzung. Das zum Thema: Kommunikation.

Abschließend versammelte man sich am Mannschaftsbus, den es demnächst nicht mehr geben wird, da ein Verkauf geplant ist. Auch das Pizza-Lieferauto war pünktlich zur Stelle.

Beseelt traten Mannschaft und Fans die lange Rückreise an. Die Musikauswahl von „DJ Felix“ im „kleinen Schwarzen“ war übrigens extrem unterhaltsam und bildungsfern;-) Vom „Urknall im Zillertal“ über „Wir Männer haben einen harten Job – wir fahren Bob. Rechtskurve – Linkskurve – nach hinten – nach vorn – Hoppsa – und tief“ war alles dabei. Selbst, was „GmbH“ bedeutet, wurde umgelernt: „Geh mal Bier holen“. Ein Text aus diesem „Libretto“: „Geh mal Bier holen, du bist so hässlich, aber nach 1 -2 Bier bist du wieder schön“.

Na ja, irgendwie braucht man Strategien, um 1.500 km an einem Wochenende zu meistern. Und meisterlich wird unaufhaltsam der Turbine-Weg zum Ziel beschritten, auch ohne Wibke Meister, die verletzungsbedingt nicht mit nach Sand reisen konnte.

Gute Besserung für Inka Wesely und Eseosa Aigbogun! Und maximale Reha-Erfolge für Tabbi Kemme und Grüße an deren bunte Teebeutel (siehe Facebook-Posting vom 25.03.17).

Ihr seid (nicht nur ihr drei) die Schönsten und Geilsten. Auch ohne den Konsum von 1-2 Bier;-)

Dem SC Sand wünschen wir im DFB-Pokal-Geschehen maximale Erfolge und die Erfüllung des südbadischen Traumes.

 

Vielen Dank an unseren Lieblingsverein, dem 1. FFC Turbine Potsdam, für den fahrbaren Untersatz, der die Exkursion nach Sand ermöglichte.

Text: Susanne Lepke

Fotos: Beatrice Martens, Marina Hartmann, Susanne Lepke, Ronny Rieger

 

 

 

 

 

 

 

 

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