Des einen Leid ist des anderen Freud

Spielbericht zur
AFBL-Begegnung von Bayer Leverkusen gegen 1. FFC Turbine Potsdam am 28.04.2019

Sonntag, 5.30 Uhr – alles schläft, nur einer fährt. Der
Fanbus.

Das Gefährt machte sich am drittletzten Spieltag der Saison
2018/19 auf den Weg zur Verteidigung des 3. Tabellenplatzes, diesmal in
Leverkusen. Den Gastgeberinnen stand das Abstiegswasser bis zum Hals, also Flut
statt Ebbe. Die Potsdamerinnen konnten dagegen mit einem Drei-Punkte-Vorsprung zum
4. Platz entspannt aufspielen, also Ebbe statt Flut. Die Quellen der Motivation
sprudelten somit unterschiedlich stark.

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Aktive Pausengestaltung

Bevor jedoch der Anpfiff auf dem Nebenplatz hinter der
Bayarena ertönte, packten die Frühaufsteher_innen diesmal an jedem
Raststättenhalt einen echten Fußball aus und übten das Kurzpassspiel – und das sogar
bei Regen. Während der Park-Durchreiseverkehr durch Daggi energisch geregelt
wurde, um auch die Straße als Spielfläche fremdnutzen zu können, beteiligten
sich viele Turbinefans im Alter von 15 – über 80  Jahren am Techniktraining. Als Außenstehende
hätte man meinen können, dass der der VfL Arthrose 1895 gegen den FC Gicht 1905
hier alles gab.  Es war ein
unterhaltsames Unterfangen, dass die Launen erheiterte und die Vorfreude auf
das echte Fußballspiel steigerte. Vielleicht sollte diese Ball-Mitnahme im
Fanbus zum Ritual werden?

Auch die Busrunden in Form von diversen Getränken aufgrund
von Geburtstagen und Goldenen Hochzeiten erheiterten die Gemüter. Und leckere
Fischrogen-Crepes eines Fans, der nebenbei eine Fischzucht betreibt.

Und eine Ansage der reizenden Busfahrer entzückte die
Reisenden: „Wir bleiben so lange sitzen, bis wir stehen.“ Gemeint war, dass alle
Passagiere so lange sitzen bleiben, bis der Bus eingeparkt hat.

Ankunft in Leverkusen

Bayarena Leverkusen (Foto: sule)

Nach einem geduldigen Schlangestehen vor dem Kassenhäuschen
vor der Bayarena, das von einer Dame mit sehr ruhigen Bewegungsabläufen
bewirtschaftet wurde, wurde den angereisten Turbinefans Einlass gewährt – mit
Ausnahme von Schalmeien, Edding-Stiften und Fotoapparaten ab einer bestimmten
Objektivgröße.

Schlangestehen am Kassenhäuschen (Foto: sule)

Der Laune tat das keinen Abbruch, schließlich schien (noch)
die Sonne im Ulrich-Haberland-Stadion. Fast 500 Zuschauer_innen zeigten ein
Frauenfußballinteresse, darunter fast 100 heimische und auswärtige Turbinefans.
Für Leverkusen bedeutete das eine stattliche Besucherzahl. Und für Anna Gasper,
Jojo Elsig und Lisa Schmitz (im kärglichen Stadion-Faltblatt als Lida
Schmitz ausgewiesen…) bedeutete das ein Wiedersehen beim ehemaligen Verein.

Auf geht’s, Potsdam!

Und los ging’s mit dem Spiel um den 3. Platz bzw. gegen Abstiegskampf. Beide Seiten begannen frisch und frei und bereits in der 6. Minute klingelte es im gegnerischen Tor. Was fast wie ein Außennetz+Tor aussah, entpuppte sich als ein Abstaubertor durch Lara Prasnikar.

Diese fungierte diesmal nicht als Joker, sondern stand von Anfang an auf dem Platz. Das war ein perfekter Start im Sinne der 4‘/5/6:0-Tipps, die die euphorischen Turbinefans im Vorfeld abgegeben haben. Nach dem einige Minuten ins Land zogen, stimmten die Fans das „Wo bleibt denn das 2:0?“ an. Die Antwort auf diese Frage ließ auf sich warten, sehr lange … – und blieb am Ende unbeantwortet. Denn nichts Berichtenswertes passierte im weiteren Verlauf des Spiels.

Manche Fans vor Ort behaupteten sarkastisch, dass Potsdam schwach begonnen und dann stark nachgelassen hätte… Fakt war, das die Turbinen durchaus Bemühungen zeigten, Zweikämpfe annahmen, gut über die Flügel spielten und jede Menge Laufdaten für ihre digitalen Speicherbänder unter den Trikots sammelten. Besonders in der ersten Halbzeit wirkten sie spielbestimmend. Aber sie scheiterten allzu oft am finalen Pass vorm Tor, zu oft verebbte der Angriff im gegnerischen Strafraum. Auch die Frei- und Eckstöße blieben ungenutzt. Erwähnenswert war noch ein Pfostentreffer durch Svenja Huth.

Seitenwechsel

Leverkusen startete nach dem frühen Rückstand kampfeswillig
in die zweite Halbzeit und bildete erneut einen Motivationskreis. Immerhin
stand es unverändert nur 0:1, das gab Hoffnung und Mut. Und die Gegnerinnen
steckten nicht auf, denn die Motivation, gegen den Abstieg kämpfen zu wollen,
war spürbar. Und die Spielführerin Ivana Rudelic (ehemals JUSV Jena) mobilisierte
ihre Mannschaft unentwegt mit lautstarken Worten. Der Co-Trainer am Rande ebenso.
Der Sprechanteil zwischen Heim- und Gästetrainer lag bei 90 zu 10 Prozent.

Auch diesen Torversuch abgewehrt (Foto: sas)

Und dieses Engagement, dieses Nicht-Aufgaben-Wollen, wurde
dann tatsächlich in der 92. Minute belohnt, als Rudelic knallhart nach einem Konter
einnetzte. Potsdam hatte sich vorher mit unzählbaren, mehr oder minder
durchdachten Angriffszügen erfolglos um ein zweites Tor bemüht. Dieses Remis wirkte
am Ende gerecht, auch wenn Potsdam die spielbestimmende Mannschaft war.

Rudelic inmitten des Rudeljubels (Foto: sas)

Respekt für Leverkusen

Die anwesenden Fans waren nach diesem Ausgleichstreffer emotional
zwiegespalten. Zum einen herrschte Frust aufgrund der Spielqualität und
Erfolglosigkeit, die konträr zur eigenen Erwartung lag. Zum anderen erblühte die
Anerkennung gegenüber der Leverkusener Mannschaft, die für ihren unermüdlichen Kampfeswillen
am Ende belohnt wurde. Da gab es vom gesamten Potsdamer Fanblock einen Applaus
für die Gastgeberinnen, die sich daraufhin freundlich und überrascht bedankte.
Auch Rudelic‘ Hände wurden mehrfach von Potsdamer Fans geschüttelt.

Das Leverkusener Team winkt den Turbinefans zu

Natürlich zollten die Turbinefans auch ihrer eigenen
Mannschaft am Ende einen Applaus, aber weniger euphorisch und der eine oder
andere Disput zwischen Fan und Spielerin entspann sich. Insofern war das verständlich,
wenn man berücksichtigt, dass sich die mitreisenden Fans zwei
aufeinanderfolgende Nächte halb um die Ohren geschlagen hatten, um ein
torreiches Spiel gegen einen vermutlichen Absteiger zu erwarten.

Nun ist der Abstand zwischen dem dritten und vierten Platz
auf ein Pünktchen geschmolzen. Ob dieser Fakt ausreichend motivierend für die
beiden verbleibenden Spielen wirken wird, bleibt fraglich. Vielleicht wirkt es
motivierender, wenn man als Spielerin beobachten muss, wie die eigenen Fans der
gegnerischen Mannschaft begeistert applaudieren.

Einfach zum Ins-Gras-Beißen

Schmerzvoll, aber sportlich fair. Des einen Leid ist des
anderen Freud.

Letztes Heimspiel und anschließendes Fanfest

Am 5. Mai steht das letzte Heimspiel dieser Saison an – gegen den MSV Duisburg. Die treuen Fans werden natürlich wieder mit neuer Hoffnung – und Erwartung – ihre Torbienen anfeuern. Anschließend wird der Spieß dann umgedreht, wenn im Rahmen des Fanfestes auf dem Nebenplatz des „Karl-Liebknecht-Stadions“ die heißgeliebten Spielerinnen auf den Zuschauerrängen Platz nehmen, um das Duell zweier Fan-Mannschaften anzufeuern. Trommeln, Ratschen und Tröten werden gerne von den Fans zeitweise ausgeliehen.

Auch steht neben diesem Fan-Fußballspiel eine Tombola, eine
Autogrammstunde, Musik und Moderation auf der Festordnung. Also kommt
zahlreich, liebe Turbinefans!

Text: Susanne Lepke
Fotos: Saskia Nafe (sas), Susanne Lepke (sule)

Alle Fotos der Galerie von Saskia Nafe – wie immer herzlichen Dank!