der größte weihnachtschor der welt – oder: weihnachtssingen bei union – ein etwas anderes stadionerlebnis

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Bericht von einem Turbinefan, der auszog, um mit den Unionern zu singen – am 23.12.2017 von Micha

Manchmal sind es die kleinen, oft spontanen Ideen, die großen Dingen vorrausgehen. Weihnachtssingen gibt es z.B. mittlerweile auch in Aachen, im Karli, ja und selbst bei dem kleinen SV Buchholz in meinem Heimatbezirk Pankow. Aber wie fing Alles an ? Der 1.FC Union ist ein spezieller Verein und die Fans sind eben positiiv verrückt. Wahrscheinlich konnten nur sie auf die Idee kommen. So begab es sich im Jahre des Herrn 2003, daß 86 „Alt-Unioner“ incl. Frauen und Kinder über die Zäune der Alten Försterei kletterten, um mit Glühwein und Gebäck in der Hand an der Mittellinie Weihnachtslieder zu singen. Ob ihnen in diesem Moment bewusst war, welche Lawine sie mit dieser, nicht wirklich legalen, Aktion angestoßen hatten ? Bei der diesjährigen 15. Ausgabe waren 28500 „Sängerinnen und Sänger“ dabei. Natürlich mussten sie nicht mehr über die Zäune klettern und selbst der RBB war wieder mit dabei. Laut „Antenne Brandenburg“ war es der größte Weihnachtschor der Welt. Das wäre also einen Eintrag ins Guinnes-Buch wert.
Da es sich bei Union um einen traditionsbewussten Ost-Verein handelt, durfte Eines nicht fehlen: die guten alten „Vitamin B“ ! Innerhalb von drei Stunden war das Singen ausverkauft. Nun hatte ich das Weihnachtssingen schon seit Längerem auf meiner „To doo-Liste“. Ich erzählte meinem Kollegen „Boulette“ davon. Er ist Union-Mitglied und Dauerkarteninhaber. Ihn „schleifte“ ich vor Saisonbeginn mit zum Test der Eisernen Ladies gegen unsere Zweite – seine Premiere beim Frauenfußball. Im Gegenzug besorgte er für mich und meinen Sohn Ramon die begehrten Tickets. Pro Nase kosteten sie 5 Euro, auf dem Schwarzmarkt wurden bis zu 50 Euro geboten. Dabei sein ist eben Alles !
Mein letzter Besuch an der Alten Försterei datiert aus einer Zeit, als ein gewisser Bruno Labbadia noch für den KSC spielte. So kannte ich das Stadion in seiner heutigen Form noch gar nicht. Ich war beeindruckt, welch Schmuckkästchen sich die Unioner dort gebaut haben. So war unser Eintreffen auch der Beginn einer Stadionführung, die sich Boulette als stolzer Unioner nicht nehmen ließ.


Eine Rute für die „Fremdgänger“


Wer Ist der Typ in der Mitte ?

Unsere erste Station war das „Zeughaus“, der Souvenirshop bei Union. Mit den passsenden Utensilien ausgestattet, setzten wir unsere Runde fort. Unterwegs „gabelten“ wir Kerzen und das Liederbuch auf und landeten letztendlich im Innenbereich, d.h. auf dem Spielfeld. Hier stimmten ein Chor aus Adlershof und die „Eisernen Bläser“ die Besucher auf das Singen ein.


Warm Up mit dem Chor aus Adlershof und den „Eisernen Bläsern“

Irgendwie muss der Weihnachtsmann seine ganze Sippe mitgebracht haben – es war ein ganzes Rudel ! Den jüngsten Besuchern war es nur Recht, gab es doch so viele Gelegenheiten, kleine Naschereien an Land zu ziehen. Und natürlich trafen wir “ Keule“, das Union-Maskottchen. Nachden wir die unvermeidlichen Fotos machten, dachte ich darüber nach, ob Keule und Turbinchen „ein hübsches Paar“ wären (grins).


Boulette, Keule und Ich


Ramon, Keule und Icke schon wieder
Ob Turbinchen mir das „Fremdgehen“ verzeiht ?

Nachdem wir mit ’nem Becher Glühwein unsere Stimmbänder geölt hatten, warteten wir mit Spannung auf den „Anpfiff“ der 90 Minuten.


Wohin man sieht – ein Kerzenmeer


Ein Anblick mit Gänsehaut

Sämtliche Lichter gingen aus, nur die Kerzen brannten. Da konnte man schon eine Gänsehaut (wie passend zu Weihnachten) bekommen. Als Intro gab’s einen Ausflug in die Geschichte. Es wurde daran erinnert, daß in den 20er Jahren des vorigen Jahrhundert’s der Schlachtruf „Eisern Union“ endstand. Das ist dann bald 100 Jahre her. Und wie es sich für ein vernünftiges „Fußballspiel“ gehört, gab’s zuerst die Hymne. Mal ehrlich: ich habe in meinem Fanleben auf den Tribünen diverser Stadien ja schon Einiges erlebt. Aber es ist was völlig Anderes, wenn man am MIttelkreis steht und von vier Seiten ein kräftiges „Eisern Union“ entgegenschallt. Da könnte ich verstehen, wenn ein junger Spieler, der das erste Mal solche Kulisse erlebt, weiche Knie bekommt. Stadionsprecher Christian Arbeit führte durch’s Programm. Er bewies im Laufe des Abends, daß er nicht nur reden, sondern auch musizieren kann. Mit seinen Eltern gab er ein paar Lieder auf Blasinstrumenten zum Besten. Auch der Chor eines Köpenicker Gymnasiums war wieder mit dabei.


Der Schulchor gibt den Takt vor

Gesungen wurden traditionelle Weihnachtslieder. Da durfte dann auch das unioneigene „An der Alten Försterei“ nach der Melodie von „In der Weihnachtsbäckerei“ nicht fehlen, zumal es auch in der Unionversion ein Weihnachtslied bleibt. Wer nicht ganz textsicher war, konnte ja im bereits erwähnten Liederbuch nachsehen. Hier und da sangen die Unionfans auch ihre eigenen Lieder, war aber auch irgendwie passend.
So bei „Halbzeit“ musste der Glühwein raus und Was in den Magen rein. Hier ist dann mal ein Kompliment an die Organisatoren fällig: es gab ausreichend Toiletten und weil Weihnachten war, störte sich auch niemand daran, daß die Damen die Herren-WC’s mitbenutzten. Man(n) kennt ja deren Probleme. Es gab auch jede Menge Imbiß – und Getränkestände, selbst im Innenraum. Auch zusätzliche Souvenirstände waren vorhanden. So lief Alles reibungslos ab und Niemand brauchte lange zu warten. Ich hatte bereits bei Ankunft Etwas erspäht, was mein Herz höher schlagen ließ und mich an frührere Duisburg – Reisen erinnerte: Einen Fischstand ! Ach was waren das noch Zeiten früher in Duisburg ! So ließ ich mir zwei Fischbrötchen schmecken. Ist eben was Anderes, als immer nur Bock – oder Bratwurst. Ich kann das Zeug langsam nicht mehr sehen.
Inzwischen hielt Pfarrer Dieter Müller aus der Köpenicker Altstadt seine Weihnachtsansprache. Zur „zweiten Halbzeit“ entführte uns Boulette in seinem Stammblock. War ganz schön laut dort. Aber wir standen ganz oben und so hatte ich einen herrlichen Blick auf die Totale.


Der Blick von oben

Man, war dat schön ! Es wurden weiter traditionelle Weihnachtslieder gesungen und auch die „Eisernen Bläser“ gaben ihr Können zum Besten. Tja, und weil Union eben ein etwas anderer Verein ist, gehörte es zum Programm, daß man nicht dem Weihnachtsmann Gedichte vortrug, sondern er trug selbst Eins vor. Dabei ging er auch auf die aktuelle Situation von Union ein. Typisch dann sein Schlußsatz: „….was die Zukunft bringt, wer weiß das schon ? Und niemals vergessen ….“, worauf ihm von den Rängen ein kräftiges, dreifaches „Eisern Union“ entgegenschallte. Wieder so ein Gänsehautmoment. Na, und wie es sich beim Fußball gehört, gab’s auch die obligatorische „Nachspielzeit“, die heute etwas von einer „Verlängerung“ hatte, denn sie dauerte etwa 20 Minuten. Aber wen sollte es stören ? Es gab ja kein „11-Meter-Schießen“, dafür war ja kein Platz und auf wen sollte man schießen (grins)?
So verlebte ich einen unvergesslichen Abend. Nun darf aber Niemand denken, ich würde unseren Turbinen untreu werden. Das könnte ich unseren Mädels nie antun, unseren kleinen Grashüpfern schon gar nicht !! Aber als Ostberliner schlägt mein Herz auch für Union und so habe ich mir an diesem Abend einen lang gehegten Wunsch erfüllt. Das muss man einfach mal erlebt haben ! Aber vielleicht muss man für so Etwas bald nicht mehr weit fahren: Am Abend zuvor fand im Karli erstmals ein Weihnachtssingen statt. ich hörte, 2500 Leute waren dort. Ein toller Besuch für’s erste Mal ! Und wer weiß….? Das Unionsingen hat ja auch mal ganz klein angefangen. Das nächste Mal im Karli findet übrigens am 22. Dezember 2018 statt, nur mal so zum Vormerken. Aber ich kann Jedem empfehlen: wer die Möglichkeit hat, sollte sich das Event an der Alten Försterei nicht entgehen lassen. Das macht Spaß und macht Lust auf Mehr. Trotzdem habe ich mir das nächste Weihnachtssingen im Karli im Hinterkopf schon notiert.
Natürlich ließ es sich Boulette nicht nehmen, uns zur „dritten Halbzeit“ (unter VIP’s auch „Aftershow-Party“ genannt) in die Unionkneipe „Abseitsfalle“ zu schleifen. Na ja, unsere Kehlen brauchten ’ne frische Ölung. Man konnte sich dort das Erlebte auch nochmal im TV anschauen. So ging ein toller Abend zu Ende.


Boulette und Ramon auf der Aftershow-Party

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